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Steuer- und wirtschaftspolitische Bedeutung von Patentboxen im Post-BEPS-Zeitalter

Steuer- und wirtschaftspolitische Bedeutung von Patentboxen im Post-BEPS-Zeitalter DOI: 10.1007/s10273-017-2179-1 Analysen und Berichte Forschungsförderung Joachim Englisch* Steuer- und wirtschaftspolitische Bedeutung von Patentboxen im Post-BEPS-Zeitalter Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne steuerliche Instrumente zur Förderung der Entwicklung oder Verwertung von geistigem Eigentum. Aktuell wird aber hierzulande über deren Einführung diskutiert. Ein mögliches Instrument wäre eine output-orientierte Patentbox- Regelung, die Einnahmen und Gewinne aus der Nutzung geistigen Eigentums bevorzugt behandelt. Patentbox-Regime sind allerdings auf die OECD-Agenda zur Bekämpfung von Steuerfl ucht und schädlicher Steuergestaltung geraten. Um Steuerfl ucht zu verhindern, haben sich die OECD-Staaten auf einen modifi zierten Nexus-Ansatz geeinigt, der eine allein steuerlich motivierte Verschiebung des Steuersubstrats über die Grenzen einschränkt. Können Patentboxen vor diesem Hintergrund noch ein sinnvoller Baustein im Steuersystem sein? Sollten sie parallel mit input-orientierten Fördermaßnahmen eingesetzt werden? Unternehmerische Investitionen in Forschung und Ent- gelangen dabei zwei Alternativmodelle einer steuerlichen wicklung (FuE) sind seit jeher Treiber von Produktivität Förderpolitik, namentlich „input-orientierte“ steuerliche und gesellschaftlichem Wohlstand, auch dank positiver Forschungsförderung einerseits und „output-orientierte“ Externalitäten. In zahlreichen Staaten weltweit zielen da- Steuervergünstigungen für die Erträge aus der Verwer- her neben Direktsubventionen auch steuerliche Förderin- tung geistigen Eigentums andererseits. Bei ersteren han- strumente darauf ab, Anreize für private FuE-Aufwendun- delt es sich um traditionelle Präferenzregime wie erhöhte gen zu setzen. In modernen offenen Volkswirtschaften Abzüge von der Bemessungsgrundlage oder Abzüge von besteht eine zusätzliche Herausforderung für die Natio- der Steuerschuld, in Abhängigkeit von bestimmten quali- nalstaaten darin, dass sie untereinander als Forschungs- fi zierten FuE-Aufwendungen. Bei letzteren setzt die steu- standorte im Wettbewerb um die Gewinnung neuer Inves- erliche Begünstigung erst in der Verwertungsphase ein titionen von multinationalen Konzernen stehen. Erst recht und konzentriert sich dementsprechend auf erfolgreiche grenzüberschreitend mobil sind zudem die immateriellen Forschungsprojekte. Solche „Patentboxen“ bewirken ei- Ergebnisse kommerzieller Forschung. Einer der für die ne steuerliche Vorzugsbehandlung von Einnahmen bzw. Standortwahl für Forschungstätigkeiten und des daraus Gewinnen aus der Nutzung von geistigem Eigentum. Es resultierenden geistigen Eigentums (Intellectual Proper- handelt sich bis auf die Präferenzregime von Irland und ty – IP) maßgeblichen Aspekte stellt dabei die steuerliche Frankreich um noch vergleichsweise junge Förderinstru- Behandlung von Forschungsaufwendungen einerseits mente, die hinsichtlich ihrer Lenkungseffekte kontrovers und der Gewinne aus der Verwertung der Forschungser- diskutiert werden. Dabei wird bislang in der Diskussion gebnisse andererseits dar. allerdings noch kaum gewürdigt, wie sich die im Zuge des „Base Erosion and Profi t Shifting“-Projekts (BEPS-Pro- Vor allem seit der Jahrtausendwende hat dies zu einem intensiven internationalen Steuerwettbewerb geführt, in 3 Zu Einzelheiten vgl. L. K. Evers: Intellectual Property (IP) Box Regimes – Tax Planning, Effective Tax Burdens, and Tax Policy Options, Mann- dem sich einzelne Staaten als attraktive Forschungs- bzw. heim 2014, S. 49 ff. IP-Holding-Standorte zu profi lieren suchen. Zum Einsatz * Bei diesem Beitrag handelt es sich um die Kurzfassung einer aus- führlichen Untersuchung, die demnächst in „Steuer und Wirtschaft“ veröffentlicht wird. Der Autor dankt Anzhela Cédelle, Irem Guceri und Giorgia Maffi ni für wertvolle Anregungen und Diskussionen. Eventuel- Prof. Dr. Joachim Englisch ist geschäftsführender le Unzulänglichkeiten sind allein vom Autor zu verantworten. Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Universi- 1 Dazu eingehend C. Spengel et al.: Steuerlicher Digitalisierungsindex 2017, PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), April 2017. tät Münster. 2 Vgl. dazu S. Appelt et al.: R&D Tax Incentives: Evidence on design, in- cidence and impacts, OECD Science, Technology and Industry Policy Papers, Nr. 32, 2016, S. 38 ff. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 577 Analysen und Berichte Forschungsförderung jekts) der OECD entwickelten Empfehlungen zur Ausge- tum. Empirische Untersuchungen legen nahe, dass vor staltung solcher Patentboxen künftig auf ihre Eignung als allem hoch profi table Innovationen von den bis 2015 ge- steuerliches Förderinstrument auswirken. schaffenen Patentboxen angezogen und gegebenenfalls auch im jeweiligen Zielland patentiert wurden. Patent- Die deutsche Steuerpolitik hat sich dem Trend, im Zu- boxen lieferten damit ein Paradebeispiel für „schädliche“ sammenhang mit der Entwicklung und Verwertung geis- Besteuerungspraktiken, die in erheblichem Ausmaß An- tigen Eigentums besondere Steuervergünstigungen zu reize für internationale Gewinnverlagerung setzten, ohne schaffen, bislang nicht angeschlossen und nimmt damit eine damit korrespondierende Verlagerung von Unterneh- international eine Außenseiterrolle ein. In jüngerer Zeit menssubstanz vorauszusetzen. sind allerdings auch in Deutschlands Wirtschaft und Poli- tik vermehrt Überlegungen angestellt worden, FuE-Aktivi- Die OECD-Mitgliedstaaten haben sich daher im Zuge täten bzw. die Schaffung oder Verwertung von geistigem des BEPS-Projekts auf den modifi zierten Nexus-An- Eigentum steuerlich zu fördern. Daher wird im Folgen- satz (Modifi ed Nexus Approach) verständigt. Neue wie den analysiert, inwieweit sich speziell Patentboxen „post bestehende Patentboxen-Regime sollen demzufolge BEPS“ überhaupt dazu eignen, die wirtschafts- bzw. Gewinne aus der Verwertung von geistigem Eigentum steuerpolitischen Zielsetzungen zu erreichen. Dabei wer- künftig grundsätzlich nur noch insoweit begünstigen, den auch die – insbesondere unionsrechtlichen – Grenzen als diese auf Forschungs- und Entwicklungsinvestitio- des gesetzgeberischen Gestaltungsermessens berück- nen fußen, die ihrerseits einen territorialen Nexus mit der sichtigt. Besteuerungshoheit des jeweiligen Staates aufweisen. Vereinfacht ausgedrückt soll ein Staat Gewinne aus der Eine Würdigung von Patentboxen kann dabei nur vom ge- Verwertung geistigen Eigentums nur noch steuerlich be- setzgeberischen Förderziel ausgehen. In Betracht kom- günstigen dürfen, wenn er stattdessen auch schon die men im Wesentlichen drei Zielsetzungen: damit zusammenhängenden Forschungsaufwendungen hätte steuerlich privilegieren können. 1. Ein denkbares Ziel ist die Gewinnung oder jedenfalls Sicherung von Steuersubstrat in Form der Erträge aus Des Weiteren sieht der modifi zierte Nexus-Ansatz Ein- der Lizenzierung, Veräußerung oder sonstigen Nut- schränkungen insbesondere hinsichtlich des Kreises der zung von geistigem Eigentum. förderfähigen Kategorien geistigen Eigentums vor. Na- mentlich sollen sich im Wesentlichen nur Gewinne aus der 2. Davon zu unterscheiden ist das Anliegen, den jewei- Verwertung von Patenten, patentähnlichen technischen ligen Standort im internationalen Wettbewerb um die gewerblichen Schutzrechten sowie Urheberrechten an Ansiedlung von Realinvestitionen in Forschung und Software für eine steuerliche Privilegierung qualifi zieren. Entwicklung zu stärken. Zumindest EU-Mitgliedstaaten dürfen außerdem bei der Berechnung des begünstigungsfähigen Gewinnanteils 3. Schließlich kann ein Ziel die Förderung von Forschung keine FuE-Aufwendungen eines Steuerpfl ichtigen be- und Entwicklung im engeren Sinne sein, d.h. durch rücksichtigen, die auf die Auftragsforschung durch mit steuerliche Anreize zusätzliche Investitionen an bereits ihm verbundene Unternehmen entfallen, selbst wenn die bestehenden inländischen Forschungsstandorten zu entsprechenden FuE-Aktivitäten im Inland durchgeführt tätigen bzw. die Schaffung innovativer Start-ups zu er- werden (entity approach). Dasselbe gilt für Anschaffungs- leichtern. kosten für bereits (ganz oder teilweise) fertiggestelltes Fiskalpolitisches Potenzial von Patentboxen gewandelt 5 Die Einführung solcher Patentboxen zog regelmäßig einen Anstieg Eindämmung „schädlicher“ Effekte durch den Nexus-Ansatz von Patentanmeldungen und Lizenzeinnahmen in der jeweiligen Be- steuerungsjurisdiktion nach sich, vgl. M. Dischinger, N. Riedel: Cor- porate taxes and the location of intangible assets within multinational Die herkömmlichen Patentboxen insbesondere diverser fi rms, in: Journal of Public Economics, 95. Jg. (2011), H. 7-8, S. 698 ff.; EU-Mitgliedstaaten erfüllten vielfach primär einen fi skal- R. Griffi th, H. Miller, M. O‘Connell: Ownership of intellectual proper- ty and corporate taxation, in: Journal of Public Economics, 112. Jg. politischen Zweck im internationalen Steuerwettbewerb (2014), H. C, S. 21. um Gewinne aus der Verwertung von geistigem Eigen- 6 Vgl. C. Ernst, K. Richter, N. Riedel: Corporate taxation and the quality of research and development, in: International Tax and Public Finance 21. Jg. (2014), H. 4, S. 709 f.; T. Böhm et al.: Corporate Taxes and Stra- 4 Vgl. auch P. Schwarz: Rationale, design and effectiveness of R&D tegic Patent location within Multinational Firms, 2015, S. 2. tax measures, in: Archiv für Schweizerisches Abgabenrecht, 83. Jg. 7 Vgl. OECD: BEPS Project, Action 5: 2015 Final Report, S. 24 ff. (2015), H. 11-12, S. 714 ff. 8 Ebenda, Rz. 34-38 und 46-48. Wirtschaftsdienst 2017 | 8 578 Analysen und Berichte Forschungsförderung geistiges Eigentum . Ausnahmen hiervon sollen nur in eng Sie sind damit für ein forschungsintensives Hochsteu- begrenztem Umfang zulässig sein. erland wie Deutschland unter fi skalischen Aspekten ein erwägenswertes Kompromissmodell. Ihre Einführung Die mit der Konkretisierung und Implementierung des – könnte den Druck mindern, der Aushöhlung der nationa- rechtlich ebenfalls unverbindlichen – „Verhaltenskodex len Besteuerungsgrundlagen durch eine fi skalisch kost- für Unternehmensbesteuerung“ der EU betraute Gruppe spieligere generelle Absenkung der nominalen Unterneh- Verhaltenskodex hat sich diesen „Soft Law“-Empfehlun- menssteuerbelastung zu begegnen, die zudem unter gen der OECD angeschlossen. Vor diesem Hintergrund Umständen auch steuersystematischen oder verteilungs- dürfte es jedenfalls für eine deutsche Regierungskoalition politischen Zielsetzungen zuwiderliefe. Ein dahingehen- gleich welcher Couleur auf absehbare Zeit keine ernsthaft der Wettbewerbsdruck dürfte dabei in den kommenden in Betracht zu ziehende Option darstellen, eine Patentbo- Jahren noch deutlich steigen. xen-Regelung alten Schlages einzuführen, die von den Vorgaben des modifi zierten Nexus-Ansatzes abweicht. Ausgestaltungsparameter einer fi skalpolitisch Damit dürften Pa tentboxen jedenfalls für den deutschen ausgerichteten Patentbox Gesetzgeber nicht länger eine Option sein, einen signi- fi kanten steuerlichen Anreiz für die Verlagerung von im Die ergänzende Einführung einer Patentbox zur Siche- Ausland entwickelten Immaterialgüterrechten oder daran rung deutschen Steuersubstrats würde allerdings eine anknüpfenden Verwertungsaktivitäten ins Inland zu set- Reihe von steuerpolitischen wie auch verfassungs- und zen. unionsrechtlichen Folgefragen aufwerfen. Eine erste Herausforderung läge darin, den Umfang der Steuerer- Verbleibendes Potenzial als defensive Maßnahme im mäßigung sachgerecht auf die fi skalpolitische Zielset- internationalen Steuerwettbewerb zung des Niedrigsteuerregimes abzustimmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die grenzüberschreitende Dessen ungeachtet können Patentboxen aber absehbar Verlagerung von geistigem Eigentum im Konzern nicht weiterhin einen bedeutsamen Baustein in einem Maß- ohne Besteuerungsfolgen bleibt, sondern Anlass zu ei- nahmenpaket zur Abwehr der vom Steuerrecht anderer ner Abrechnung stiller Reserven nach Fremdvergleichs- Staaten ausgehenden Sogwirkung auf die Gewinne aus grundsätzen gibt. Vor diesem Hintergrund muss die der Nutzung von in Deutschland geschaffenem geistigen Steuerbelastung für Gewinne aus der Verwertung geis- Eigentum darstellen. Von besonderer Bedeutung ist tigen Eigentums nicht bis auf das Belastungsniveau der dabei, dass sie Abwanderungstendenzen von geistigem wichtigsten Zielländer potenzieller Transfers von patent- Eigentum nicht nur insoweit entgegenwirken können, als fähigen Innovationen abgesenkt werden, um bereits ei- diese von den in einigen Staaten – gegebenenfalls im Wi- ne dämpfende Wirkung auf Verlagerungserwägungen zu derspruch zu den Vorstellungen der OECD – verbleiben- entfalten. den „schädlichen“ Patentboxen-Regelungen herkömmli- cher Prägung ausgehen (und in deutlich geringerem Maße Eine in diesem Sinne angemessene verbleibende Steu- auch noch von Nexus-konformen Patentboxen). Sie grei- erbelastung würde Mitnahmeeffekte zumindest bei mul- fen vielmehr auch gegen allgemeine Niedrigsteuerregime tinationalen Konzernen minimieren. Unvermeidbar wären bzw. ausländische Steueroasen, die letztlich vergleichba- Mitnahmeeffekte hingegen bei rein national agierenden re Anreize zur grenzüberschreitenden Verlagerung von im kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die keine Inland geschaffenem geistigen Eigentum setzen. Möglichkeit der Verlagerung von Immaterialgütern ins Ausland zu nicht marktkonformen Preisen haben. Daraus resultierende negative fi skalische Auswirkungen wären abzuschätzen und den erwarteten positiven Aufkom- menseffekten aus der Sicherung von Steuersubstrat bei 9 Dies ist im Wesentlichen EU-grundfreiheitlichen Vorgaben geschul- det, vgl. L. V. Faulhaber: The Luxembourg Effect: Patent Boxes and den multinationalen Unternehmen gegenüberzustellen. the Limits of International Cooperation, in: Minnesota Law Review, Nur wenn auch der Saldo absehbar noch positiv ist, kann 101. Jg. (2017), H. 4, S. 1663 ff. 10 Vgl. OECD, a.a.O., Rz. 40 f.: 30% „up-lift“ für die Kosten der Auftrags- forschung verbundener Unternehmen und für den Erwerb von geisti- gem Eigentum. 13 Vgl. auch European Commission: Corporate Income Taxation in the 11 Vgl. Economic and Financial Minister (ECOFIN): Conclusions vom EU, Commission Staff Working Document, SWD(2015) 121, Brüssel 17.6.2016, Nr. 10459/16; sowie den Bericht der Code of Conduct 17.6.2015, S. 18 (noch zu den herkömmlichen Patentboxen). Group vom 28.11.2016, Nr. 14750/16, S. 4 ff. 14 Vgl. OECD: Supporting Investment ..., a.a.O., S. 141. Speziell zur 12 Vgl. dazu auch schon OECD: Supporting Investment in Knowledge Rechtslage in Deutschland vgl. F. Haase, P. Nürnberg: Steuerliche As- Capital, Growth and Innovation, 2013, S. 145; P. Merrill: Innovation pekte der Erschaffung, Ansiedlung und Verlagerung von IP, in: Finanz- Boxes: BEPS and Beyond, in: National Tax Journal, 69. Jg. (2016), Rundschau (FR), 99. Jg. (2017), H. 1, S. 4 ff. H. 4, S. 857. 15 Vgl. dazu auch L. K. Evers, a.a.O., S. 131 ff. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 579 Analysen und Berichte Forschungsförderung die Einführung einer im Wesentlichen fi skalpolitisch moti- „entity approach“ für EU-Mitgliedstaaten allenfalls abge- vierten Patentbox sinnvoll sein. schwächt, aber nicht durchgreifend entkräftet. Sollte sich der Gesetzgeber für die Einführung einer Pat- Beihilferechtlich steht die steuerliche Privilegierung einer entbox entscheiden, müsste außerdem geregelt werden, Patentbox zwar bei entsprechend breiter Ausgestaltung wie weit deren sachlicher Anwendungsbereich reichen Unternehmen aus allen Branchen gleichermaßen offen. soll. Der modifi zierte Nexus-Ansatz mindert allerdings Man könnte sich daher auf den Standpunkt stellen, das das Gestaltungsermessen der EU-Mitgliedstaaten in die- Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV greife mangels sem Bereich. Namentlich nichttechnische gewerbliche Selektivität der Maßnahme nicht ein. Tatsächlich sind Schutzrechte wie etwa Marken und Geschmacksmuster Patentboxen-Regime aber in der beihilferechtlichen dürfen nicht in eine Förderung einbezogen werden. Zu Grauzone möglicher De-facto-Selektivität angesiedelt. entscheiden wäre aber insbesondere darüber, ob eine Denn die Daten zu Patentanmeldungen und die restrikti- Steuerermäßigung auch für die Gewinne aus der Verwer- ven Vorgaben des Nexus-Ansatzes hinsichtlich des Krei- tung von Urheberrechten an Software gelten soll. Darü- ses begünstigungsfähigen geistigen Eigentums lassen er- ber hinaus müsste generell festgelegt werden, ob sie auf warten, dass bestimmte patentintensive Branchen über- Lizenzeinnahmen und ähnliche Nutzungsentgelte sowie proportional, andere Wirtschaftszweige hingegen kaum Veräußerungsgewinne begrenzt wird oder aber auch auf von einer solchen Output-Förderung profi tieren dürften. die Gewinne aus der unmittelbaren Verwertung des geis- Ihre beihilferechtliche Beurteilung fällt daher in Teilen des tigen Eigentums in der Produktion erstreckt werden soll. Schrifttums negativ aus. Der Europäische Gerichtshof Leitgedanke sollte dabei für eine fi skalpolitisch motivierte (EuGH) wiederum hat in jüngerer Zeit nochmals verdeut- Patentbox jeweils primär sein, wie anfällig die jeweiligen licht, auch branchenübergreifend gewährte Begünstigun- Immaterialgüter bzw. Tätigkeitsfelder für den internatio- gen, die einem breiten Kreis von Unternehmen zugänglich nalen Steuerwettbewerb sind. Eine Einbeziehung auch sind, einer strengen Selektivitätsprüfung zu unterziehen. von Software-Copyright dürfte unter diesem Aspekt na- Die EU-Kommission hat allerdings bislang keine primär- heliegender sein als die Ausdehnung auf implizite Ver- rechtlichen Einwände geäußert und scheint im Gegenteil wertungsgewinne aus dem unmittelbaren Einsatz von gewillt, den mit dem Nexus-Ansatz gefundenen politi- Patenten und ähnlichem geistigen Eigentum. Allerdings schen Kompromiss zwischen ihren Mitgliedstaaten nicht ist auch zu berücksichtigen, dass die Eigennutzung von infrage zu stellen. Patenten typischerweise mit größeren positiven Externa- litäten verbunden ist als ihre Verwertung durch Lizenz- 16 17 Vgl. dazu eingehend J. Englisch: BEPS Action 1: Digital Economy – EU vergabe und in manchen Branchen das dominierende Law Implications, in: British Tax Review, Juni 2015, S. 298 ff. Kritisch Verwertungsmodell darstellt. auch C. Brokelind: Intellectual Property, Taxation, and State Aid Law, in: I. Richelle, W. Schön, E. Traversa: State Aid Law and Business Ta- xation, 2016, S. 235 ff.; R. H. C. Luja: EU Report, Tax Incentives on Research and Development (R&D), International Fiscal Association, in: Cahiers de Droit Fiscal International, Bd. 100A, Den Haag 2015, S. Vereinbarkeit mit EU-Primärrecht und Verfassung 61 f. 18 So die EU-Kommission in ihrer Entscheidung vom 13.2.2008 zur spa- nischen Patentbox, C(2008)467 fi nal, Rz. 14 ff. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Patentboxen- 19 Vgl. zur De-facto-Selektivität eingehend J. Englisch: Das Beihilfen- Regime EU-primärrechtlichen und in Deutschland dar- verbot im Steuerrecht, in: H. Schaumburg, J. Englisch: Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 9.26 und 9.31; W. Schön: State Aid in the Area über hinaus auch gewissen verfassungsrechtlichen Be- of Taxation, in: L. Hancher, T. Ottervanger, P. J. Slot (Hrsg.): EU State denken unterliegen. Auf EU-Ebene sind hier vor allem die Aids, 5. Aufl . 2016, Rz. 13-097 f. beihilferechtlichen Bestimmungen der Art. 107 ff.AEUV 20 Vgl. den Überblick bei EU-Kommission: Taxation Papers, Working Pa- per 57: Patent Boxes Design, Patents Location, and Local R&D, 2015, sowie die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV zu S. 7, m.w.N. nennen. Insbesondere die grundfreiheitsrechtlichen An- 21 So etwa M. Valta: Patentboxen und IP-Boxen – eine verbotene Beihil- griffspunkte liegen auf der Hand. Der Nexus-Ansatz zielt fe?, in: Steuer und Wirtschaft (StuW), H. 3/2015, S. 257 (264 f.); C. Bro- kelind, a.a.O., S. 228 f.; L. K. Evers, a.a.O., S. 176 ff. Zurückhaltender im Kern gerade darauf ab, grundsätzlich nur die Erträge C. Micheau, G. C. de la Brousse: Case Studies of Tax Issues on Selec- heimischer Forschung steuerlich zu prämieren, was in tivity, in: A. Rust, C. Micheau: State Aid and Tax Law, 2013, S. 156 ff.; diametralem Gegensatz zum Anliegen des EU-Binnen- J. Luts: Compatibility of IP Box Regimes with EU State Aid Rules and Code of Conduct, in: EC Tax Review, 23. Jg. (2014), H. 5, S. 265. marktes und eines EU-weiten Forschungsraumes (Art. 22 Vgl. EuGH vom 21.12.2016, C20/15 P und C21/15 P, World Duty Free 179 AEUV) steht. Diese Bedenken werden durch den Group, EU:C:2016:981, Rz. 53 ff. 23 Vgl. C. Panayi: Advanced Issues in International and European Tax Law, 2015, S. 213; K. Becker: Der OECD-Bericht zu Maßnahme 5 des BEPS-Aktionsplans. BEPS-Aktionspunkt 5: Wirksamere Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs, in: Internationales Steuerrecht 16 Vgl. OECD: Supporting Investment ..., a.a.O., S. 137. (IStR), 23. Jg. (2014), H. 19, S. 707 f. Wirtschaftsdienst 2017 | 8 580 Analysen und Berichte Forschungsförderung Aus der Perspektive des deutschen Grundgesetzes wie- Regelung dann auch verfassungsrechtlich bestehen kön- derum erzeugt die Privilegierung bestimmter Kategorien nen. von Einkünften einen gleichheitsrechtlichen Rechtferti- gungsbedarf. Da das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Geringe Eignung als standortpolitisches regelmäßig schon für die steuerliche Begünstigung gan- Förderinstrument zer Einkunftsarten einen hinreichend gewichtigen Sach- grund fordert, muss dies erst recht für die Entlastung nur Anreize für zusätzliche Forschung und Entwicklung im In- bestimmter Einkunftsquellen innerhalb ein und derselben land können sowohl Patentboxen als auch input-orientier- Einkunftsart gelten. Allerdings dürften die Anforderun- te Maßnahmen der Prämierung von FuE-Aufwendungen gen an eine solche Rechtfertigung vom BVerfG im Lichte setzen. seines herkömmlichen Kriterienkatalogs zur Bestimmung der verfassungsgerichtlichen Prüfungsdichte nicht allzu Begrenzte Anreizwirkungen hoch angesiedelt werden. Empirische wie theoretische Untersuchungen deuten al- Denkbar ist daher, dass eine Patentbox vom BVerfG als lerdings darauf hin, dass Patentboxen herkömmlicher Maßnahme zur Sicherung deutschen Steuersubstrats Prägung mit keinen oder nur geringen Anforderungen an hingenommen würde. Allerdings betont das BVerfG auch die territoriale Verknüpfung von FuE einerseits und be- in ständiger Rechtsprechung, dass eine Rechtfertigung günstigten Gewinnen andererseits für diese Zielsetzung allein mit dem Finanzbedarf des Staates nicht in Betracht generell deutlich weniger geeignet sind als eine bereits komme. Insbesondere dürften punktuelle Entlastungen in der Entwicklungsphase ansetzende steuerliche For- nicht damit gerechtfertigt werden, „dass eine allgemeine schungsförderung. Die Vorgaben des modifi zierten Tarifsenkung fi nanz- und haushaltspolitisch nicht fi nan- Nexus-Ansatzes könnten hier zu einer stärkeren Diffe- zierbar gewesen wäre.“ Dahingehende Erwägungen renzierung Anlass geben: Für die meisten Unternehmen bilden aber die Quintessenz einer als Abwehrinstrument und Forschungsvorhaben dürfte ein Patentboxen-Regime im internationalen Steuerwettbewerb konzipierten Pa- damit noch weiter an Relevanz für die FuE-Investitions- tentboxen-Regelung. Es müsste daher das Ziel, in diesem planung verlieren. Für bestimmte Kategorien von Unter- Wettbewerb zu bestehen, vom BVerfG als „qualifi zierter“ nehmen, namentlich patentintensiv forschende multinati- Fiskalzweck mit rechtfertigender Kraft anerkannt werden. onale Unternehmen, könnte es aber an Bedeutung gewin- Ob es dazu bereit wäre, lässt sich im Lichte der bishe- nen. In diesem Zusammenhang sind vor allem folgende rigen Rechtsprechung jedoch nicht absehen. Für den Aspekte maßgeblich: Gesetzgeber könnte es daher naheliegen, eine etwaige Pat entbox-Regelung zusätzlich unter dem Gesichtspunkt • Nur steuerliche Förderinstrumente, die bereits in der der Förderung von Forschung und Entwicklung, d.h. mit Entwicklungsphase ansetzen, können bei sachge- einer lenkungspolitischen Zielsetzung zu rechtfertigen. rechter Ausgestaltung, namentlich bei Gewährung von Auf dem Gebiet steuerlicher Lenkung soll der Gesetz- Steuergutschriften, zusätzliche Liquidität für die For- geber nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG eine schung und Entwicklung bereitstellen bzw. im Unter- relativ große Gestaltungsfreiheit beanspruchen können . nehmen belassen. In der Gesamtschau der möglichen Rechtfertigungs- gründe und angesichts des absehbar niederschwelligen • Daneben sinkt die Wahrscheinlichkeit, in den Genuss Prüfungsmaßstabs des BVerfG dürfte eine Patentboxen- einer steuerlichen Privilegierung von Verwertungserlö- sen im Rahmen einer Patentboxen-Regelung zu gelan- gen, mit zunehmendem Risiko eines wirtschaftlichen Fehlschlags der Forschung und damit tendenziell mit 24 Vgl. BVerfG vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (181), m.w.N. 25 Vgl. auch die generelle Formulierung ebenda: „[Es] gelten für Sonder- tarife keine geringeren Rechtfertigungsanforderungen als für Durch- 30 Vgl. EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 52: A Study on brechungen des objektiven Nettoprinzips, die durch besondere sach- R&D Tax Incentives, Final Report 2014, S. 19; exemplarisch für Pat- liche Gründe gerechtfertigt werden müssen.“ entboxen die ökonometrische Untersuchung der Effekte des nieder- 26 Vgl. dazu statt aller BVerfG vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, ländischen IP-Regimes durch P. Den Hertog et al.: Evaluatie innovati- 1094, Rz. 105, m.w.N.; J. Englisch: Gleichheitssatz – Gleichberechti- ebox 2010-2012, 2016, insbesondere S. 72. gung, in: K. Stern, F. Becker: Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl . 2016, 31 Vgl. zu den bisherigen empirischen Erkenntnissen den Überblick bei Art. 3 Rz. 138 ff., m.w.N. EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 52, a.a.O., S. 75, 27 Vgl. beispielsweise BVerfG vom 15.1.2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE m.w.N.; sowie M. J. Graetz, R. Doud: Technological Innovation, In- 135, 126 (151), m.w.N. ternational Competition, and the Challenges of International Income 28 BVerfG vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (184). Taxation, in: Columbia Law Review, 113. Jg. (2013), H. 3, S. 355 ff. und 29 Vgl. BVerfG vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182), 372 ff.; C. Spengel et al.: Steuerliche FuE-Förderung, EFI-Studien zum m.w.N. deutschen Innovationssystem, Nr. 15-2017, S. 63 ff. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 581 Analysen und Berichte Forschungsförderung zunehmendem Innovationsgrad. Demgegenüber kann ren sein, dass die steuerlichen Vorteile der herkömmlichen der Steuerpfl ichtige bei input-orientierten FuE-Regi- Patentboxen von dieser Standortentscheidung zumindest men zuverlässig mit einer Steuersubvention für seine weitgehend, wenn nicht sogar vollständig entkoppelt aktuell durchgeführten Forschungsprojekte rechnen. waren. Diese Flexibilität ist jedoch nunmehr durch den modifi zierten Nexus-Ansatz stark eingeschränkt. Es wäre • Von vornherein fehlen Impulse für Forschung und Ent- daher zu erwarten, dass die Existenz einer Patentbox in wicklung bei einer mit dem Nexus-Ansatz konformen der Phase der konzerninternen FuE-vorhabenbezogenen Patentbox außerdem bei denjenigen Unternehmen, die Entscheidungsfi ndung künftig eine größere Rolle spielt. ihrem selbstgeschaffenen geistigen Eigentum keinen rechtlichen Schutz angedeihen lassen, also insbeson- Stark reduzierte Anreize für zusätzliche FuE-Aufwendungen dere von der Anmeldung von Patenten absehen wol- len. Empirische Studien legen nahe, dass ein erhebli- Mit dem Nexus-Ansatz vereinbare Patentboxen dürften cher Teil von FuE-Aktivitäten auf die Entwicklung eines schließlich nur noch eingeschränkt einen Anreiz für zu- solchen, nicht patentierten und zum Teil auch nicht pa- sätzliche Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen tentfähigen geistigen Eigentums entfällt. bieten, die sich ohne steuerliche Anreize nicht rechnen würden. Denn Investitionen in zusätzliche FuE-Aufwen- Potenzielle Patentboxen-Vergünstigungen für spätere dungen jenseits eines rentablen Investitionsvolumens, Gewinne dürften infolgedessen vornehmlich von solchen die wegen der Spillover-Effekte unter Umständen volks- Unternehmen bei ihrer Investitionsentscheidung berück- wirtschaftlich wünschenswert sein können, wird ein Un- sichtigt werden, bei denen sich die vorstehend genann- ternehmen nur bei einer negativen effektiven Marginal- ten Faktoren in geringerem Maße nachteilig auswirken. steuerbelastung tätigen. Patentboxen verringern zwar die Dies sind vor allem große multinationale Konzerne, die an effektive durchschnittliche Steuerbelastung der Einkünf- einem Standort um der Erzielung von Synergieeffekten te aus der Verwertung geistigen Eigentums und machen willen mehrere Forschungsvorhaben parallel durchführen eine Steuerjurisdiktion damit als Standort für profi table und dadurch ihr Risiko diversifi zieren. Diese Kategorie FuE-Projekte deutlich attraktiver. Sie haben aber nicht von Unternehmen ist typischerweise auch nicht auf die notwendig auch negative Marginalsteuersätze zur Folge. Liquiditäts- bzw. Finanzierungseffekte einer Forschungs- Das hängt vielmehr von ihrer konkreten Ausgestaltung förderungsmaßnahme angewiesen, die Patentboxen und von der Behandlung der mit den Einkünften aus geis- nicht bieten können. Nicht zuletzt legen einige Unter- tigem Eigentum korrespondierenden Aufwendungen ab. suchungen nahe, dass reife, bereits im Markt etablierte Konzerne auch eher patentintensiv forschen, d.h. die Er- Wirken sich die der Verwertungsphase vorgelagerten Auf- gebnisse ihrer Forschung rechtlich schützen lassen; sie wendungen für Forschung und Entwicklung oder zumin- sind darum anzunehmenderweise auch in geringerem dest die laufenden Aufwendungen des Managements von Maße vom Ausschluss der Förderung für nicht patentier- geistigem Eigentum während der Nutzung der Patentbox tes geistiges Eigentum – namentlich Prozesswissen und steuermindernd in Höhe des Regelsteuersatzes aus, weil Know-how – betroffen. sie mit entsprechend regelbesteuerten anderweitigen Einkünften verrechnet werden können, wohingegen die Nach empirischen Erhebungen sollen im Übrigen zwar Verwertungserlöse in den Anwendungsbereich des re- die traditionellen, im Regelfall nicht durch vorherige lokale duzierten Steuersatzes der Patentbox fallen, spricht man Forschungsaufwendungen bedingten Patentboxen-Ver- vom „gross approach“. Nur dieser impliziert eine steuerli- günstigungen gerade bei multinationalen Unternehmen che Subventionierung von (erfolgreichen) Forschungspro- vielfach nur eine untergeordnete Rolle bei der Standort- jekten. entscheidung betreffend FuE-Aktivitäten gespielt ha- ben. Dies dürfte aber gerade auch darauf zurückzufüh- In Zukunft sind die Möglichkeiten einer solchen Ausge- staltung von Patentboxen aber durch den modifi zierten 32 Vgl. EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 57, a.a.O. 33 Vgl. auch T. Neubig et al.: Fiscal incentives for R&D and innovation in a 37 Vgl. L. Evers, H. Miller, C. Spengel: Intellectual Property Box Regimes, diverse world, OECD Taxation Working Papers, Nr. 27, 2016, S. 13. ZEW Discussion Paper, Nr. 13-070, 2013, S. 36. 34 Vgl. S. E. Shay, J. C. Fleming, R. J. Peroni: R&D Tax Incentives, in: Tax 38 Vgl. dazu auch EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 57, Law Review, 69. Jg. (2016), S. 448. a.a.O., S. 23: Patentboxen, die schon bislang steuerliche Vergünsti- 35 Vgl. dazu den Literaturüberblick bei M. Holgersson: Patent manage- gungen an die zumindest teilweise lokale Entwicklung der patentier- ment in entrepreneurial SMEs, in: R&D Management, 43. Jg. (2013), ten Innovation knüpften, haben demnach in signifi kantem Ausmaß zu H. 1, S. 23 f. einer Verlagerung auch von FuE-Aktivitäten und nicht nur von Paten- 36 Vgl. J. H. Heckemeyer, K. Richter, C. Spengel: Tax Planning of R&D in- ten Anlass gegeben. tensive Multinationals, ZEW-Discussion Paper, Nr. 14-114, 2014; vgl. 39 Vgl. L. K. Evers, a.a.O., S. 105 ff.; L. Evers, H. Miller, C. Spengel, auch EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 57, a.a.O., S. 4. a.a.O., S. 28. Wirtschaftsdienst 2017 | 8 582 Analysen und Berichte Forschungsförderung Nexus-Ansatz eingeschränkt. Denn dieser gestattet eine eingehenden Kosten-Nutzen-Analyse sowohl hinsichtlich steuerliche Privilegierung laufender Einkünfte aus der Ver- des „Ob“ als auch des „Wie“ der Einführung einer solchen wertung von Patenten und ähnlichen Schutzrechten nur output-orientierten Steuervergünstigung. Daneben sollte auf Basis der Nettolizenzerlöse bzw. der Nettoerträge aus die EU-Beihilfekompatibilität durch ein Notifi kationsver- der produktiven Nutzung des geistigen Eigentums. Ver- fahren bei der Kommission abgesichert werden, da nicht lustvorträge aus früheren FuE-Aufwendungen, die bis zur abzusehen ist, ob der EuGH solche Verschonungssub- Verwertungsreife des dadurch geschaffenen geistigen Ei- ventionen als selektive Beihilfe einstufen wird. Auch dann gentums nicht verrechnet werden konnten, sollen außer- verblieben freilich noch gewisse EU-primärrechtliche wie dem wohl im Schema niedrig besteuerter Verwertungs- auch – in geringerem Maße – verfassungsrechtliche Be- erlöse eingesperrt bleiben. Diese Ungleichbehandlung denken. bevorzugt im Übrigen tendenziell erneut reife multinati- onale Konzerne im Vergleich zu KMU und insbesondere Als Instrument zur Stärkung des nationalen Forschungs- Start-ups, weil erstere typischerweise eher schon in der standortes sind Patentboxen seit jeher nur begrenzt ge- FuE-Phase über anderweitige positive Einkünfte verfügen eignet, wobei sich aufgrund des modifi zierten Nexus-An- (bzw. entsprechende Einkunftsquellen ins Inland verla- satzes gewisse Akzentverschiebungen ergeben dürften. gern können), mit denen die FuE-Aufwendungen direkt Bei patentintensiv forschenden multinationalen Konzernen verrechnet werden können. würde eine output-orientierte Begünstigung von Gewinnen aus erfolgreichen FuE-Projekten aufgrund der Anforderun- gen an die Lokalisierung der FuE-Aufwendungen absehbar in stärkerem Maße bei der Investitionsplanung berücksich- Zusammenfassung tigt werden als dies bislang der Fall war. Bei KMU hinge- gen sind ganz überwiegend lediglich Mitnahmeeffekte zu Patentboxen, die mit dem OECD-Nexus-Ansatz konform erwarten, zumal wenn sie in Forschung und Produktion gehen, dürften nicht länger geeignet sein, einen signifi - rein national aufgestellt sind. Auch im Konzern dürften Pa- kanten steuerlichen Anreiz für die Verlagerung von im tentboxen künftig außerdem weitaus eher eine Rolle für die Ausland entwickelten Immaterialgüterrechten oder daran Entscheidung über die Ansiedlung absehbar profi tabler anknüpfenden Verwertungsaktivitäten nach Deutschland Forschungsprojekte spielen als bei der Entscheidung über zu setzen. Stattdessen verlagert sich der Schwerpunkt ei- das FuE-Investitionsvolumen. Insgesamt liegt es damit ner fi skalpolitisch konzipierten Patentbox im Post-BEPS- nahe, steuerliche Forschungsförderung primär über input- Zeitalter auf die Abwehr der von ausländischen Niedrig- orientierte Steuervergünstigungen zu betreiben. steuerregimen ausgehenden Sogwirkung auf im Inland geschaffenes geistiges Eigentum. Speziell in Deutsch- Mit Blick auf ihre potenziell unterschiedlichen Zielsetzun- land kann eine Patentbox bereits ergriffene Maßnahmen gen könnten Patentboxen und input-orientierte Förder- wie insbesondere die Lizenzschranke des § 4j EStG zu- maßnahmen auch parallel Eingang in das Steuersystem mindest ergänzen. Insoweit bedarf es allerdings einer fi nden. Für diesen Fall wäre allerdings zu erwägen, die bereits vorgelagert einsetzende, auf Forschungsaufwen- dungen bezogene Input-Förderkomponente auf KMU zu 40 Vgl. OECD: BEPS Project ..., a.a.O., Fußnote 14. 41 Vgl. L. Evers, H. Miller, C. Spengel, a.a.O., S. 22. beschränken bzw. zu konzentrieren. Title: Do Patent Boxes Still Make Sense Under the OECD-BEPS Nexus Approach? Abstract: Germany is one of the very few developed countries without any R&Dr elated tax incentives. However, broad political con- sensus has decidedthat this should change in the near future. One possible option would be an outputo riented measure, i.e. a socal led “patent box” regime. This instrument has recently undergone signifi cant conceptual changes due to the agreement of OECD, G20 and EU Member States on the “modifi ed nexus approach”. As a consequence, the patent box has lost much of its appeal as a means to at- tract IP and IP related profi ts from abroad. We argue that it nevertheless still has a potentially important role to play as a defensive instru- ment in international tax competition. In this context, aspects of optimal patent box design within the constraints of the nexus approach and EU law are discussed. We furthermore examine the effectiveness of a patent box regime that adheres to the nexus approach in attracting or stimulating additional R&D investments. Our preliminary conclusion is that it would have an impact on discrete investment choices made by mature MNEs, whereas it would be of even lesser relevance for SMEs than traditional patent box designs. JEL Classifi cation: K34, H25, O30 ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Wirtschaftsdienst Springer Journals

Steuer- und wirtschaftspolitische Bedeutung von Patentboxen im Post-BEPS-Zeitalter

Wirtschaftsdienst , Volume 97 (8) – Aug 15, 2017

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Springer Journals
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Subject
Economics; Political Economy/Economic Policy; Labor Economics; Macroeconomics/Monetary Economics//Financial Economics; Social Policy; European Integration
ISSN
0043-6275
eISSN
1613-978X
DOI
10.1007/s10273-017-2179-1
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Abstract

DOI: 10.1007/s10273-017-2179-1 Analysen und Berichte Forschungsförderung Joachim Englisch* Steuer- und wirtschaftspolitische Bedeutung von Patentboxen im Post-BEPS-Zeitalter Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne steuerliche Instrumente zur Förderung der Entwicklung oder Verwertung von geistigem Eigentum. Aktuell wird aber hierzulande über deren Einführung diskutiert. Ein mögliches Instrument wäre eine output-orientierte Patentbox- Regelung, die Einnahmen und Gewinne aus der Nutzung geistigen Eigentums bevorzugt behandelt. Patentbox-Regime sind allerdings auf die OECD-Agenda zur Bekämpfung von Steuerfl ucht und schädlicher Steuergestaltung geraten. Um Steuerfl ucht zu verhindern, haben sich die OECD-Staaten auf einen modifi zierten Nexus-Ansatz geeinigt, der eine allein steuerlich motivierte Verschiebung des Steuersubstrats über die Grenzen einschränkt. Können Patentboxen vor diesem Hintergrund noch ein sinnvoller Baustein im Steuersystem sein? Sollten sie parallel mit input-orientierten Fördermaßnahmen eingesetzt werden? Unternehmerische Investitionen in Forschung und Ent- gelangen dabei zwei Alternativmodelle einer steuerlichen wicklung (FuE) sind seit jeher Treiber von Produktivität Förderpolitik, namentlich „input-orientierte“ steuerliche und gesellschaftlichem Wohlstand, auch dank positiver Forschungsförderung einerseits und „output-orientierte“ Externalitäten. In zahlreichen Staaten weltweit zielen da- Steuervergünstigungen für die Erträge aus der Verwer- her neben Direktsubventionen auch steuerliche Förderin- tung geistigen Eigentums andererseits. Bei ersteren han- strumente darauf ab, Anreize für private FuE-Aufwendun- delt es sich um traditionelle Präferenzregime wie erhöhte gen zu setzen. In modernen offenen Volkswirtschaften Abzüge von der Bemessungsgrundlage oder Abzüge von besteht eine zusätzliche Herausforderung für die Natio- der Steuerschuld, in Abhängigkeit von bestimmten quali- nalstaaten darin, dass sie untereinander als Forschungs- fi zierten FuE-Aufwendungen. Bei letzteren setzt die steu- standorte im Wettbewerb um die Gewinnung neuer Inves- erliche Begünstigung erst in der Verwertungsphase ein titionen von multinationalen Konzernen stehen. Erst recht und konzentriert sich dementsprechend auf erfolgreiche grenzüberschreitend mobil sind zudem die immateriellen Forschungsprojekte. Solche „Patentboxen“ bewirken ei- Ergebnisse kommerzieller Forschung. Einer der für die ne steuerliche Vorzugsbehandlung von Einnahmen bzw. Standortwahl für Forschungstätigkeiten und des daraus Gewinnen aus der Nutzung von geistigem Eigentum. Es resultierenden geistigen Eigentums (Intellectual Proper- handelt sich bis auf die Präferenzregime von Irland und ty – IP) maßgeblichen Aspekte stellt dabei die steuerliche Frankreich um noch vergleichsweise junge Förderinstru- Behandlung von Forschungsaufwendungen einerseits mente, die hinsichtlich ihrer Lenkungseffekte kontrovers und der Gewinne aus der Verwertung der Forschungser- diskutiert werden. Dabei wird bislang in der Diskussion gebnisse andererseits dar. allerdings noch kaum gewürdigt, wie sich die im Zuge des „Base Erosion and Profi t Shifting“-Projekts (BEPS-Pro- Vor allem seit der Jahrtausendwende hat dies zu einem intensiven internationalen Steuerwettbewerb geführt, in 3 Zu Einzelheiten vgl. L. K. Evers: Intellectual Property (IP) Box Regimes – Tax Planning, Effective Tax Burdens, and Tax Policy Options, Mann- dem sich einzelne Staaten als attraktive Forschungs- bzw. heim 2014, S. 49 ff. IP-Holding-Standorte zu profi lieren suchen. Zum Einsatz * Bei diesem Beitrag handelt es sich um die Kurzfassung einer aus- führlichen Untersuchung, die demnächst in „Steuer und Wirtschaft“ veröffentlicht wird. Der Autor dankt Anzhela Cédelle, Irem Guceri und Giorgia Maffi ni für wertvolle Anregungen und Diskussionen. Eventuel- Prof. Dr. Joachim Englisch ist geschäftsführender le Unzulänglichkeiten sind allein vom Autor zu verantworten. Direktor des Instituts für Steuerrecht an der Universi- 1 Dazu eingehend C. Spengel et al.: Steuerlicher Digitalisierungsindex 2017, PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), April 2017. tät Münster. 2 Vgl. dazu S. Appelt et al.: R&D Tax Incentives: Evidence on design, in- cidence and impacts, OECD Science, Technology and Industry Policy Papers, Nr. 32, 2016, S. 38 ff. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 577 Analysen und Berichte Forschungsförderung jekts) der OECD entwickelten Empfehlungen zur Ausge- tum. Empirische Untersuchungen legen nahe, dass vor staltung solcher Patentboxen künftig auf ihre Eignung als allem hoch profi table Innovationen von den bis 2015 ge- steuerliches Förderinstrument auswirken. schaffenen Patentboxen angezogen und gegebenenfalls auch im jeweiligen Zielland patentiert wurden. Patent- Die deutsche Steuerpolitik hat sich dem Trend, im Zu- boxen lieferten damit ein Paradebeispiel für „schädliche“ sammenhang mit der Entwicklung und Verwertung geis- Besteuerungspraktiken, die in erheblichem Ausmaß An- tigen Eigentums besondere Steuervergünstigungen zu reize für internationale Gewinnverlagerung setzten, ohne schaffen, bislang nicht angeschlossen und nimmt damit eine damit korrespondierende Verlagerung von Unterneh- international eine Außenseiterrolle ein. In jüngerer Zeit menssubstanz vorauszusetzen. sind allerdings auch in Deutschlands Wirtschaft und Poli- tik vermehrt Überlegungen angestellt worden, FuE-Aktivi- Die OECD-Mitgliedstaaten haben sich daher im Zuge täten bzw. die Schaffung oder Verwertung von geistigem des BEPS-Projekts auf den modifi zierten Nexus-An- Eigentum steuerlich zu fördern. Daher wird im Folgen- satz (Modifi ed Nexus Approach) verständigt. Neue wie den analysiert, inwieweit sich speziell Patentboxen „post bestehende Patentboxen-Regime sollen demzufolge BEPS“ überhaupt dazu eignen, die wirtschafts- bzw. Gewinne aus der Verwertung von geistigem Eigentum steuerpolitischen Zielsetzungen zu erreichen. Dabei wer- künftig grundsätzlich nur noch insoweit begünstigen, den auch die – insbesondere unionsrechtlichen – Grenzen als diese auf Forschungs- und Entwicklungsinvestitio- des gesetzgeberischen Gestaltungsermessens berück- nen fußen, die ihrerseits einen territorialen Nexus mit der sichtigt. Besteuerungshoheit des jeweiligen Staates aufweisen. Vereinfacht ausgedrückt soll ein Staat Gewinne aus der Eine Würdigung von Patentboxen kann dabei nur vom ge- Verwertung geistigen Eigentums nur noch steuerlich be- setzgeberischen Förderziel ausgehen. In Betracht kom- günstigen dürfen, wenn er stattdessen auch schon die men im Wesentlichen drei Zielsetzungen: damit zusammenhängenden Forschungsaufwendungen hätte steuerlich privilegieren können. 1. Ein denkbares Ziel ist die Gewinnung oder jedenfalls Sicherung von Steuersubstrat in Form der Erträge aus Des Weiteren sieht der modifi zierte Nexus-Ansatz Ein- der Lizenzierung, Veräußerung oder sonstigen Nut- schränkungen insbesondere hinsichtlich des Kreises der zung von geistigem Eigentum. förderfähigen Kategorien geistigen Eigentums vor. Na- mentlich sollen sich im Wesentlichen nur Gewinne aus der 2. Davon zu unterscheiden ist das Anliegen, den jewei- Verwertung von Patenten, patentähnlichen technischen ligen Standort im internationalen Wettbewerb um die gewerblichen Schutzrechten sowie Urheberrechten an Ansiedlung von Realinvestitionen in Forschung und Software für eine steuerliche Privilegierung qualifi zieren. Entwicklung zu stärken. Zumindest EU-Mitgliedstaaten dürfen außerdem bei der Berechnung des begünstigungsfähigen Gewinnanteils 3. Schließlich kann ein Ziel die Förderung von Forschung keine FuE-Aufwendungen eines Steuerpfl ichtigen be- und Entwicklung im engeren Sinne sein, d.h. durch rücksichtigen, die auf die Auftragsforschung durch mit steuerliche Anreize zusätzliche Investitionen an bereits ihm verbundene Unternehmen entfallen, selbst wenn die bestehenden inländischen Forschungsstandorten zu entsprechenden FuE-Aktivitäten im Inland durchgeführt tätigen bzw. die Schaffung innovativer Start-ups zu er- werden (entity approach). Dasselbe gilt für Anschaffungs- leichtern. kosten für bereits (ganz oder teilweise) fertiggestelltes Fiskalpolitisches Potenzial von Patentboxen gewandelt 5 Die Einführung solcher Patentboxen zog regelmäßig einen Anstieg Eindämmung „schädlicher“ Effekte durch den Nexus-Ansatz von Patentanmeldungen und Lizenzeinnahmen in der jeweiligen Be- steuerungsjurisdiktion nach sich, vgl. M. Dischinger, N. Riedel: Cor- porate taxes and the location of intangible assets within multinational Die herkömmlichen Patentboxen insbesondere diverser fi rms, in: Journal of Public Economics, 95. Jg. (2011), H. 7-8, S. 698 ff.; EU-Mitgliedstaaten erfüllten vielfach primär einen fi skal- R. Griffi th, H. Miller, M. O‘Connell: Ownership of intellectual proper- ty and corporate taxation, in: Journal of Public Economics, 112. Jg. politischen Zweck im internationalen Steuerwettbewerb (2014), H. C, S. 21. um Gewinne aus der Verwertung von geistigem Eigen- 6 Vgl. C. Ernst, K. Richter, N. Riedel: Corporate taxation and the quality of research and development, in: International Tax and Public Finance 21. Jg. (2014), H. 4, S. 709 f.; T. Böhm et al.: Corporate Taxes and Stra- 4 Vgl. auch P. Schwarz: Rationale, design and effectiveness of R&D tegic Patent location within Multinational Firms, 2015, S. 2. tax measures, in: Archiv für Schweizerisches Abgabenrecht, 83. Jg. 7 Vgl. OECD: BEPS Project, Action 5: 2015 Final Report, S. 24 ff. (2015), H. 11-12, S. 714 ff. 8 Ebenda, Rz. 34-38 und 46-48. Wirtschaftsdienst 2017 | 8 578 Analysen und Berichte Forschungsförderung geistiges Eigentum . Ausnahmen hiervon sollen nur in eng Sie sind damit für ein forschungsintensives Hochsteu- begrenztem Umfang zulässig sein. erland wie Deutschland unter fi skalischen Aspekten ein erwägenswertes Kompromissmodell. Ihre Einführung Die mit der Konkretisierung und Implementierung des – könnte den Druck mindern, der Aushöhlung der nationa- rechtlich ebenfalls unverbindlichen – „Verhaltenskodex len Besteuerungsgrundlagen durch eine fi skalisch kost- für Unternehmensbesteuerung“ der EU betraute Gruppe spieligere generelle Absenkung der nominalen Unterneh- Verhaltenskodex hat sich diesen „Soft Law“-Empfehlun- menssteuerbelastung zu begegnen, die zudem unter gen der OECD angeschlossen. Vor diesem Hintergrund Umständen auch steuersystematischen oder verteilungs- dürfte es jedenfalls für eine deutsche Regierungskoalition politischen Zielsetzungen zuwiderliefe. Ein dahingehen- gleich welcher Couleur auf absehbare Zeit keine ernsthaft der Wettbewerbsdruck dürfte dabei in den kommenden in Betracht zu ziehende Option darstellen, eine Patentbo- Jahren noch deutlich steigen. xen-Regelung alten Schlages einzuführen, die von den Vorgaben des modifi zierten Nexus-Ansatzes abweicht. Ausgestaltungsparameter einer fi skalpolitisch Damit dürften Pa tentboxen jedenfalls für den deutschen ausgerichteten Patentbox Gesetzgeber nicht länger eine Option sein, einen signi- fi kanten steuerlichen Anreiz für die Verlagerung von im Die ergänzende Einführung einer Patentbox zur Siche- Ausland entwickelten Immaterialgüterrechten oder daran rung deutschen Steuersubstrats würde allerdings eine anknüpfenden Verwertungsaktivitäten ins Inland zu set- Reihe von steuerpolitischen wie auch verfassungs- und zen. unionsrechtlichen Folgefragen aufwerfen. Eine erste Herausforderung läge darin, den Umfang der Steuerer- Verbleibendes Potenzial als defensive Maßnahme im mäßigung sachgerecht auf die fi skalpolitische Zielset- internationalen Steuerwettbewerb zung des Niedrigsteuerregimes abzustimmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die grenzüberschreitende Dessen ungeachtet können Patentboxen aber absehbar Verlagerung von geistigem Eigentum im Konzern nicht weiterhin einen bedeutsamen Baustein in einem Maß- ohne Besteuerungsfolgen bleibt, sondern Anlass zu ei- nahmenpaket zur Abwehr der vom Steuerrecht anderer ner Abrechnung stiller Reserven nach Fremdvergleichs- Staaten ausgehenden Sogwirkung auf die Gewinne aus grundsätzen gibt. Vor diesem Hintergrund muss die der Nutzung von in Deutschland geschaffenem geistigen Steuerbelastung für Gewinne aus der Verwertung geis- Eigentum darstellen. Von besonderer Bedeutung ist tigen Eigentums nicht bis auf das Belastungsniveau der dabei, dass sie Abwanderungstendenzen von geistigem wichtigsten Zielländer potenzieller Transfers von patent- Eigentum nicht nur insoweit entgegenwirken können, als fähigen Innovationen abgesenkt werden, um bereits ei- diese von den in einigen Staaten – gegebenenfalls im Wi- ne dämpfende Wirkung auf Verlagerungserwägungen zu derspruch zu den Vorstellungen der OECD – verbleiben- entfalten. den „schädlichen“ Patentboxen-Regelungen herkömmli- cher Prägung ausgehen (und in deutlich geringerem Maße Eine in diesem Sinne angemessene verbleibende Steu- auch noch von Nexus-konformen Patentboxen). Sie grei- erbelastung würde Mitnahmeeffekte zumindest bei mul- fen vielmehr auch gegen allgemeine Niedrigsteuerregime tinationalen Konzernen minimieren. Unvermeidbar wären bzw. ausländische Steueroasen, die letztlich vergleichba- Mitnahmeeffekte hingegen bei rein national agierenden re Anreize zur grenzüberschreitenden Verlagerung von im kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die keine Inland geschaffenem geistigen Eigentum setzen. Möglichkeit der Verlagerung von Immaterialgütern ins Ausland zu nicht marktkonformen Preisen haben. Daraus resultierende negative fi skalische Auswirkungen wären abzuschätzen und den erwarteten positiven Aufkom- menseffekten aus der Sicherung von Steuersubstrat bei 9 Dies ist im Wesentlichen EU-grundfreiheitlichen Vorgaben geschul- det, vgl. L. V. Faulhaber: The Luxembourg Effect: Patent Boxes and den multinationalen Unternehmen gegenüberzustellen. the Limits of International Cooperation, in: Minnesota Law Review, Nur wenn auch der Saldo absehbar noch positiv ist, kann 101. Jg. (2017), H. 4, S. 1663 ff. 10 Vgl. OECD, a.a.O., Rz. 40 f.: 30% „up-lift“ für die Kosten der Auftrags- forschung verbundener Unternehmen und für den Erwerb von geisti- gem Eigentum. 13 Vgl. auch European Commission: Corporate Income Taxation in the 11 Vgl. Economic and Financial Minister (ECOFIN): Conclusions vom EU, Commission Staff Working Document, SWD(2015) 121, Brüssel 17.6.2016, Nr. 10459/16; sowie den Bericht der Code of Conduct 17.6.2015, S. 18 (noch zu den herkömmlichen Patentboxen). Group vom 28.11.2016, Nr. 14750/16, S. 4 ff. 14 Vgl. OECD: Supporting Investment ..., a.a.O., S. 141. Speziell zur 12 Vgl. dazu auch schon OECD: Supporting Investment in Knowledge Rechtslage in Deutschland vgl. F. Haase, P. Nürnberg: Steuerliche As- Capital, Growth and Innovation, 2013, S. 145; P. Merrill: Innovation pekte der Erschaffung, Ansiedlung und Verlagerung von IP, in: Finanz- Boxes: BEPS and Beyond, in: National Tax Journal, 69. Jg. (2016), Rundschau (FR), 99. Jg. (2017), H. 1, S. 4 ff. H. 4, S. 857. 15 Vgl. dazu auch L. K. Evers, a.a.O., S. 131 ff. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 579 Analysen und Berichte Forschungsförderung die Einführung einer im Wesentlichen fi skalpolitisch moti- „entity approach“ für EU-Mitgliedstaaten allenfalls abge- vierten Patentbox sinnvoll sein. schwächt, aber nicht durchgreifend entkräftet. Sollte sich der Gesetzgeber für die Einführung einer Pat- Beihilferechtlich steht die steuerliche Privilegierung einer entbox entscheiden, müsste außerdem geregelt werden, Patentbox zwar bei entsprechend breiter Ausgestaltung wie weit deren sachlicher Anwendungsbereich reichen Unternehmen aus allen Branchen gleichermaßen offen. soll. Der modifi zierte Nexus-Ansatz mindert allerdings Man könnte sich daher auf den Standpunkt stellen, das das Gestaltungsermessen der EU-Mitgliedstaaten in die- Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV greife mangels sem Bereich. Namentlich nichttechnische gewerbliche Selektivität der Maßnahme nicht ein. Tatsächlich sind Schutzrechte wie etwa Marken und Geschmacksmuster Patentboxen-Regime aber in der beihilferechtlichen dürfen nicht in eine Förderung einbezogen werden. Zu Grauzone möglicher De-facto-Selektivität angesiedelt. entscheiden wäre aber insbesondere darüber, ob eine Denn die Daten zu Patentanmeldungen und die restrikti- Steuerermäßigung auch für die Gewinne aus der Verwer- ven Vorgaben des Nexus-Ansatzes hinsichtlich des Krei- tung von Urheberrechten an Software gelten soll. Darü- ses begünstigungsfähigen geistigen Eigentums lassen er- ber hinaus müsste generell festgelegt werden, ob sie auf warten, dass bestimmte patentintensive Branchen über- Lizenzeinnahmen und ähnliche Nutzungsentgelte sowie proportional, andere Wirtschaftszweige hingegen kaum Veräußerungsgewinne begrenzt wird oder aber auch auf von einer solchen Output-Förderung profi tieren dürften. die Gewinne aus der unmittelbaren Verwertung des geis- Ihre beihilferechtliche Beurteilung fällt daher in Teilen des tigen Eigentums in der Produktion erstreckt werden soll. Schrifttums negativ aus. Der Europäische Gerichtshof Leitgedanke sollte dabei für eine fi skalpolitisch motivierte (EuGH) wiederum hat in jüngerer Zeit nochmals verdeut- Patentbox jeweils primär sein, wie anfällig die jeweiligen licht, auch branchenübergreifend gewährte Begünstigun- Immaterialgüter bzw. Tätigkeitsfelder für den internatio- gen, die einem breiten Kreis von Unternehmen zugänglich nalen Steuerwettbewerb sind. Eine Einbeziehung auch sind, einer strengen Selektivitätsprüfung zu unterziehen. von Software-Copyright dürfte unter diesem Aspekt na- Die EU-Kommission hat allerdings bislang keine primär- heliegender sein als die Ausdehnung auf implizite Ver- rechtlichen Einwände geäußert und scheint im Gegenteil wertungsgewinne aus dem unmittelbaren Einsatz von gewillt, den mit dem Nexus-Ansatz gefundenen politi- Patenten und ähnlichem geistigen Eigentum. Allerdings schen Kompromiss zwischen ihren Mitgliedstaaten nicht ist auch zu berücksichtigen, dass die Eigennutzung von infrage zu stellen. Patenten typischerweise mit größeren positiven Externa- litäten verbunden ist als ihre Verwertung durch Lizenz- 16 17 Vgl. dazu eingehend J. Englisch: BEPS Action 1: Digital Economy – EU vergabe und in manchen Branchen das dominierende Law Implications, in: British Tax Review, Juni 2015, S. 298 ff. Kritisch Verwertungsmodell darstellt. auch C. Brokelind: Intellectual Property, Taxation, and State Aid Law, in: I. Richelle, W. Schön, E. Traversa: State Aid Law and Business Ta- xation, 2016, S. 235 ff.; R. H. C. Luja: EU Report, Tax Incentives on Research and Development (R&D), International Fiscal Association, in: Cahiers de Droit Fiscal International, Bd. 100A, Den Haag 2015, S. Vereinbarkeit mit EU-Primärrecht und Verfassung 61 f. 18 So die EU-Kommission in ihrer Entscheidung vom 13.2.2008 zur spa- nischen Patentbox, C(2008)467 fi nal, Rz. 14 ff. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Patentboxen- 19 Vgl. zur De-facto-Selektivität eingehend J. Englisch: Das Beihilfen- Regime EU-primärrechtlichen und in Deutschland dar- verbot im Steuerrecht, in: H. Schaumburg, J. Englisch: Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 9.26 und 9.31; W. Schön: State Aid in the Area über hinaus auch gewissen verfassungsrechtlichen Be- of Taxation, in: L. Hancher, T. Ottervanger, P. J. Slot (Hrsg.): EU State denken unterliegen. Auf EU-Ebene sind hier vor allem die Aids, 5. Aufl . 2016, Rz. 13-097 f. beihilferechtlichen Bestimmungen der Art. 107 ff.AEUV 20 Vgl. den Überblick bei EU-Kommission: Taxation Papers, Working Pa- per 57: Patent Boxes Design, Patents Location, and Local R&D, 2015, sowie die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV zu S. 7, m.w.N. nennen. Insbesondere die grundfreiheitsrechtlichen An- 21 So etwa M. Valta: Patentboxen und IP-Boxen – eine verbotene Beihil- griffspunkte liegen auf der Hand. Der Nexus-Ansatz zielt fe?, in: Steuer und Wirtschaft (StuW), H. 3/2015, S. 257 (264 f.); C. Bro- kelind, a.a.O., S. 228 f.; L. K. Evers, a.a.O., S. 176 ff. Zurückhaltender im Kern gerade darauf ab, grundsätzlich nur die Erträge C. Micheau, G. C. de la Brousse: Case Studies of Tax Issues on Selec- heimischer Forschung steuerlich zu prämieren, was in tivity, in: A. Rust, C. Micheau: State Aid and Tax Law, 2013, S. 156 ff.; diametralem Gegensatz zum Anliegen des EU-Binnen- J. Luts: Compatibility of IP Box Regimes with EU State Aid Rules and Code of Conduct, in: EC Tax Review, 23. Jg. (2014), H. 5, S. 265. marktes und eines EU-weiten Forschungsraumes (Art. 22 Vgl. EuGH vom 21.12.2016, C20/15 P und C21/15 P, World Duty Free 179 AEUV) steht. Diese Bedenken werden durch den Group, EU:C:2016:981, Rz. 53 ff. 23 Vgl. C. Panayi: Advanced Issues in International and European Tax Law, 2015, S. 213; K. Becker: Der OECD-Bericht zu Maßnahme 5 des BEPS-Aktionsplans. BEPS-Aktionspunkt 5: Wirksamere Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs, in: Internationales Steuerrecht 16 Vgl. OECD: Supporting Investment ..., a.a.O., S. 137. (IStR), 23. Jg. (2014), H. 19, S. 707 f. Wirtschaftsdienst 2017 | 8 580 Analysen und Berichte Forschungsförderung Aus der Perspektive des deutschen Grundgesetzes wie- Regelung dann auch verfassungsrechtlich bestehen kön- derum erzeugt die Privilegierung bestimmter Kategorien nen. von Einkünften einen gleichheitsrechtlichen Rechtferti- gungsbedarf. Da das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Geringe Eignung als standortpolitisches regelmäßig schon für die steuerliche Begünstigung gan- Förderinstrument zer Einkunftsarten einen hinreichend gewichtigen Sach- grund fordert, muss dies erst recht für die Entlastung nur Anreize für zusätzliche Forschung und Entwicklung im In- bestimmter Einkunftsquellen innerhalb ein und derselben land können sowohl Patentboxen als auch input-orientier- Einkunftsart gelten. Allerdings dürften die Anforderun- te Maßnahmen der Prämierung von FuE-Aufwendungen gen an eine solche Rechtfertigung vom BVerfG im Lichte setzen. seines herkömmlichen Kriterienkatalogs zur Bestimmung der verfassungsgerichtlichen Prüfungsdichte nicht allzu Begrenzte Anreizwirkungen hoch angesiedelt werden. Empirische wie theoretische Untersuchungen deuten al- Denkbar ist daher, dass eine Patentbox vom BVerfG als lerdings darauf hin, dass Patentboxen herkömmlicher Maßnahme zur Sicherung deutschen Steuersubstrats Prägung mit keinen oder nur geringen Anforderungen an hingenommen würde. Allerdings betont das BVerfG auch die territoriale Verknüpfung von FuE einerseits und be- in ständiger Rechtsprechung, dass eine Rechtfertigung günstigten Gewinnen andererseits für diese Zielsetzung allein mit dem Finanzbedarf des Staates nicht in Betracht generell deutlich weniger geeignet sind als eine bereits komme. Insbesondere dürften punktuelle Entlastungen in der Entwicklungsphase ansetzende steuerliche For- nicht damit gerechtfertigt werden, „dass eine allgemeine schungsförderung. Die Vorgaben des modifi zierten Tarifsenkung fi nanz- und haushaltspolitisch nicht fi nan- Nexus-Ansatzes könnten hier zu einer stärkeren Diffe- zierbar gewesen wäre.“ Dahingehende Erwägungen renzierung Anlass geben: Für die meisten Unternehmen bilden aber die Quintessenz einer als Abwehrinstrument und Forschungsvorhaben dürfte ein Patentboxen-Regime im internationalen Steuerwettbewerb konzipierten Pa- damit noch weiter an Relevanz für die FuE-Investitions- tentboxen-Regelung. Es müsste daher das Ziel, in diesem planung verlieren. Für bestimmte Kategorien von Unter- Wettbewerb zu bestehen, vom BVerfG als „qualifi zierter“ nehmen, namentlich patentintensiv forschende multinati- Fiskalzweck mit rechtfertigender Kraft anerkannt werden. onale Unternehmen, könnte es aber an Bedeutung gewin- Ob es dazu bereit wäre, lässt sich im Lichte der bishe- nen. In diesem Zusammenhang sind vor allem folgende rigen Rechtsprechung jedoch nicht absehen. Für den Aspekte maßgeblich: Gesetzgeber könnte es daher naheliegen, eine etwaige Pat entbox-Regelung zusätzlich unter dem Gesichtspunkt • Nur steuerliche Förderinstrumente, die bereits in der der Förderung von Forschung und Entwicklung, d.h. mit Entwicklungsphase ansetzen, können bei sachge- einer lenkungspolitischen Zielsetzung zu rechtfertigen. rechter Ausgestaltung, namentlich bei Gewährung von Auf dem Gebiet steuerlicher Lenkung soll der Gesetz- Steuergutschriften, zusätzliche Liquidität für die For- geber nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG eine schung und Entwicklung bereitstellen bzw. im Unter- relativ große Gestaltungsfreiheit beanspruchen können . nehmen belassen. In der Gesamtschau der möglichen Rechtfertigungs- gründe und angesichts des absehbar niederschwelligen • Daneben sinkt die Wahrscheinlichkeit, in den Genuss Prüfungsmaßstabs des BVerfG dürfte eine Patentboxen- einer steuerlichen Privilegierung von Verwertungserlö- sen im Rahmen einer Patentboxen-Regelung zu gelan- gen, mit zunehmendem Risiko eines wirtschaftlichen Fehlschlags der Forschung und damit tendenziell mit 24 Vgl. BVerfG vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (181), m.w.N. 25 Vgl. auch die generelle Formulierung ebenda: „[Es] gelten für Sonder- tarife keine geringeren Rechtfertigungsanforderungen als für Durch- 30 Vgl. EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 52: A Study on brechungen des objektiven Nettoprinzips, die durch besondere sach- R&D Tax Incentives, Final Report 2014, S. 19; exemplarisch für Pat- liche Gründe gerechtfertigt werden müssen.“ entboxen die ökonometrische Untersuchung der Effekte des nieder- 26 Vgl. dazu statt aller BVerfG vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, DStR 2017, ländischen IP-Regimes durch P. Den Hertog et al.: Evaluatie innovati- 1094, Rz. 105, m.w.N.; J. Englisch: Gleichheitssatz – Gleichberechti- ebox 2010-2012, 2016, insbesondere S. 72. gung, in: K. Stern, F. Becker: Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl . 2016, 31 Vgl. zu den bisherigen empirischen Erkenntnissen den Überblick bei Art. 3 Rz. 138 ff., m.w.N. EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 52, a.a.O., S. 75, 27 Vgl. beispielsweise BVerfG vom 15.1.2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE m.w.N.; sowie M. J. Graetz, R. Doud: Technological Innovation, In- 135, 126 (151), m.w.N. ternational Competition, and the Challenges of International Income 28 BVerfG vom 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (184). Taxation, in: Columbia Law Review, 113. Jg. (2013), H. 3, S. 355 ff. und 29 Vgl. BVerfG vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182), 372 ff.; C. Spengel et al.: Steuerliche FuE-Förderung, EFI-Studien zum m.w.N. deutschen Innovationssystem, Nr. 15-2017, S. 63 ff. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 581 Analysen und Berichte Forschungsförderung zunehmendem Innovationsgrad. Demgegenüber kann ren sein, dass die steuerlichen Vorteile der herkömmlichen der Steuerpfl ichtige bei input-orientierten FuE-Regi- Patentboxen von dieser Standortentscheidung zumindest men zuverlässig mit einer Steuersubvention für seine weitgehend, wenn nicht sogar vollständig entkoppelt aktuell durchgeführten Forschungsprojekte rechnen. waren. Diese Flexibilität ist jedoch nunmehr durch den modifi zierten Nexus-Ansatz stark eingeschränkt. Es wäre • Von vornherein fehlen Impulse für Forschung und Ent- daher zu erwarten, dass die Existenz einer Patentbox in wicklung bei einer mit dem Nexus-Ansatz konformen der Phase der konzerninternen FuE-vorhabenbezogenen Patentbox außerdem bei denjenigen Unternehmen, die Entscheidungsfi ndung künftig eine größere Rolle spielt. ihrem selbstgeschaffenen geistigen Eigentum keinen rechtlichen Schutz angedeihen lassen, also insbeson- Stark reduzierte Anreize für zusätzliche FuE-Aufwendungen dere von der Anmeldung von Patenten absehen wol- len. Empirische Studien legen nahe, dass ein erhebli- Mit dem Nexus-Ansatz vereinbare Patentboxen dürften cher Teil von FuE-Aktivitäten auf die Entwicklung eines schließlich nur noch eingeschränkt einen Anreiz für zu- solchen, nicht patentierten und zum Teil auch nicht pa- sätzliche Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen tentfähigen geistigen Eigentums entfällt. bieten, die sich ohne steuerliche Anreize nicht rechnen würden. Denn Investitionen in zusätzliche FuE-Aufwen- Potenzielle Patentboxen-Vergünstigungen für spätere dungen jenseits eines rentablen Investitionsvolumens, Gewinne dürften infolgedessen vornehmlich von solchen die wegen der Spillover-Effekte unter Umständen volks- Unternehmen bei ihrer Investitionsentscheidung berück- wirtschaftlich wünschenswert sein können, wird ein Un- sichtigt werden, bei denen sich die vorstehend genann- ternehmen nur bei einer negativen effektiven Marginal- ten Faktoren in geringerem Maße nachteilig auswirken. steuerbelastung tätigen. Patentboxen verringern zwar die Dies sind vor allem große multinationale Konzerne, die an effektive durchschnittliche Steuerbelastung der Einkünf- einem Standort um der Erzielung von Synergieeffekten te aus der Verwertung geistigen Eigentums und machen willen mehrere Forschungsvorhaben parallel durchführen eine Steuerjurisdiktion damit als Standort für profi table und dadurch ihr Risiko diversifi zieren. Diese Kategorie FuE-Projekte deutlich attraktiver. Sie haben aber nicht von Unternehmen ist typischerweise auch nicht auf die notwendig auch negative Marginalsteuersätze zur Folge. Liquiditäts- bzw. Finanzierungseffekte einer Forschungs- Das hängt vielmehr von ihrer konkreten Ausgestaltung förderungsmaßnahme angewiesen, die Patentboxen und von der Behandlung der mit den Einkünften aus geis- nicht bieten können. Nicht zuletzt legen einige Unter- tigem Eigentum korrespondierenden Aufwendungen ab. suchungen nahe, dass reife, bereits im Markt etablierte Konzerne auch eher patentintensiv forschen, d.h. die Er- Wirken sich die der Verwertungsphase vorgelagerten Auf- gebnisse ihrer Forschung rechtlich schützen lassen; sie wendungen für Forschung und Entwicklung oder zumin- sind darum anzunehmenderweise auch in geringerem dest die laufenden Aufwendungen des Managements von Maße vom Ausschluss der Förderung für nicht patentier- geistigem Eigentum während der Nutzung der Patentbox tes geistiges Eigentum – namentlich Prozesswissen und steuermindernd in Höhe des Regelsteuersatzes aus, weil Know-how – betroffen. sie mit entsprechend regelbesteuerten anderweitigen Einkünften verrechnet werden können, wohingegen die Nach empirischen Erhebungen sollen im Übrigen zwar Verwertungserlöse in den Anwendungsbereich des re- die traditionellen, im Regelfall nicht durch vorherige lokale duzierten Steuersatzes der Patentbox fallen, spricht man Forschungsaufwendungen bedingten Patentboxen-Ver- vom „gross approach“. Nur dieser impliziert eine steuerli- günstigungen gerade bei multinationalen Unternehmen che Subventionierung von (erfolgreichen) Forschungspro- vielfach nur eine untergeordnete Rolle bei der Standort- jekten. entscheidung betreffend FuE-Aktivitäten gespielt ha- ben. Dies dürfte aber gerade auch darauf zurückzufüh- In Zukunft sind die Möglichkeiten einer solchen Ausge- staltung von Patentboxen aber durch den modifi zierten 32 Vgl. EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 57, a.a.O. 33 Vgl. auch T. Neubig et al.: Fiscal incentives for R&D and innovation in a 37 Vgl. L. Evers, H. Miller, C. Spengel: Intellectual Property Box Regimes, diverse world, OECD Taxation Working Papers, Nr. 27, 2016, S. 13. ZEW Discussion Paper, Nr. 13-070, 2013, S. 36. 34 Vgl. S. E. Shay, J. C. Fleming, R. J. Peroni: R&D Tax Incentives, in: Tax 38 Vgl. dazu auch EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 57, Law Review, 69. Jg. (2016), S. 448. a.a.O., S. 23: Patentboxen, die schon bislang steuerliche Vergünsti- 35 Vgl. dazu den Literaturüberblick bei M. Holgersson: Patent manage- gungen an die zumindest teilweise lokale Entwicklung der patentier- ment in entrepreneurial SMEs, in: R&D Management, 43. Jg. (2013), ten Innovation knüpften, haben demnach in signifi kantem Ausmaß zu H. 1, S. 23 f. einer Verlagerung auch von FuE-Aktivitäten und nicht nur von Paten- 36 Vgl. J. H. Heckemeyer, K. Richter, C. Spengel: Tax Planning of R&D in- ten Anlass gegeben. tensive Multinationals, ZEW-Discussion Paper, Nr. 14-114, 2014; vgl. 39 Vgl. L. K. Evers, a.a.O., S. 105 ff.; L. Evers, H. Miller, C. Spengel, auch EU-Kommission: Taxation Papers, Working Paper 57, a.a.O., S. 4. a.a.O., S. 28. Wirtschaftsdienst 2017 | 8 582 Analysen und Berichte Forschungsförderung Nexus-Ansatz eingeschränkt. Denn dieser gestattet eine eingehenden Kosten-Nutzen-Analyse sowohl hinsichtlich steuerliche Privilegierung laufender Einkünfte aus der Ver- des „Ob“ als auch des „Wie“ der Einführung einer solchen wertung von Patenten und ähnlichen Schutzrechten nur output-orientierten Steuervergünstigung. Daneben sollte auf Basis der Nettolizenzerlöse bzw. der Nettoerträge aus die EU-Beihilfekompatibilität durch ein Notifi kationsver- der produktiven Nutzung des geistigen Eigentums. Ver- fahren bei der Kommission abgesichert werden, da nicht lustvorträge aus früheren FuE-Aufwendungen, die bis zur abzusehen ist, ob der EuGH solche Verschonungssub- Verwertungsreife des dadurch geschaffenen geistigen Ei- ventionen als selektive Beihilfe einstufen wird. Auch dann gentums nicht verrechnet werden konnten, sollen außer- verblieben freilich noch gewisse EU-primärrechtliche wie dem wohl im Schema niedrig besteuerter Verwertungs- auch – in geringerem Maße – verfassungsrechtliche Be- erlöse eingesperrt bleiben. Diese Ungleichbehandlung denken. bevorzugt im Übrigen tendenziell erneut reife multinati- onale Konzerne im Vergleich zu KMU und insbesondere Als Instrument zur Stärkung des nationalen Forschungs- Start-ups, weil erstere typischerweise eher schon in der standortes sind Patentboxen seit jeher nur begrenzt ge- FuE-Phase über anderweitige positive Einkünfte verfügen eignet, wobei sich aufgrund des modifi zierten Nexus-An- (bzw. entsprechende Einkunftsquellen ins Inland verla- satzes gewisse Akzentverschiebungen ergeben dürften. gern können), mit denen die FuE-Aufwendungen direkt Bei patentintensiv forschenden multinationalen Konzernen verrechnet werden können. würde eine output-orientierte Begünstigung von Gewinnen aus erfolgreichen FuE-Projekten aufgrund der Anforderun- gen an die Lokalisierung der FuE-Aufwendungen absehbar in stärkerem Maße bei der Investitionsplanung berücksich- Zusammenfassung tigt werden als dies bislang der Fall war. Bei KMU hinge- gen sind ganz überwiegend lediglich Mitnahmeeffekte zu Patentboxen, die mit dem OECD-Nexus-Ansatz konform erwarten, zumal wenn sie in Forschung und Produktion gehen, dürften nicht länger geeignet sein, einen signifi - rein national aufgestellt sind. Auch im Konzern dürften Pa- kanten steuerlichen Anreiz für die Verlagerung von im tentboxen künftig außerdem weitaus eher eine Rolle für die Ausland entwickelten Immaterialgüterrechten oder daran Entscheidung über die Ansiedlung absehbar profi tabler anknüpfenden Verwertungsaktivitäten nach Deutschland Forschungsprojekte spielen als bei der Entscheidung über zu setzen. Stattdessen verlagert sich der Schwerpunkt ei- das FuE-Investitionsvolumen. Insgesamt liegt es damit ner fi skalpolitisch konzipierten Patentbox im Post-BEPS- nahe, steuerliche Forschungsförderung primär über input- Zeitalter auf die Abwehr der von ausländischen Niedrig- orientierte Steuervergünstigungen zu betreiben. steuerregimen ausgehenden Sogwirkung auf im Inland geschaffenes geistiges Eigentum. Speziell in Deutsch- Mit Blick auf ihre potenziell unterschiedlichen Zielsetzun- land kann eine Patentbox bereits ergriffene Maßnahmen gen könnten Patentboxen und input-orientierte Förder- wie insbesondere die Lizenzschranke des § 4j EStG zu- maßnahmen auch parallel Eingang in das Steuersystem mindest ergänzen. Insoweit bedarf es allerdings einer fi nden. Für diesen Fall wäre allerdings zu erwägen, die bereits vorgelagert einsetzende, auf Forschungsaufwen- dungen bezogene Input-Förderkomponente auf KMU zu 40 Vgl. OECD: BEPS Project ..., a.a.O., Fußnote 14. 41 Vgl. L. Evers, H. Miller, C. Spengel, a.a.O., S. 22. beschränken bzw. zu konzentrieren. Title: Do Patent Boxes Still Make Sense Under the OECD-BEPS Nexus Approach? Abstract: Germany is one of the very few developed countries without any R&Dr elated tax incentives. However, broad political con- sensus has decidedthat this should change in the near future. One possible option would be an outputo riented measure, i.e. a socal led “patent box” regime. This instrument has recently undergone signifi cant conceptual changes due to the agreement of OECD, G20 and EU Member States on the “modifi ed nexus approach”. As a consequence, the patent box has lost much of its appeal as a means to at- tract IP and IP related profi ts from abroad. We argue that it nevertheless still has a potentially important role to play as a defensive instru- ment in international tax competition. In this context, aspects of optimal patent box design within the constraints of the nexus approach and EU law are discussed. We furthermore examine the effectiveness of a patent box regime that adheres to the nexus approach in attracting or stimulating additional R&D investments. Our preliminary conclusion is that it would have an impact on discrete investment choices made by mature MNEs, whereas it would be of even lesser relevance for SMEs than traditional patent box designs. JEL Classifi cation: K34, H25, O30 ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

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WirtschaftsdienstSpringer Journals

Published: Aug 15, 2017

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