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In Data Cartels untersucht Sarah Lamdan die Zusammenhänge zwischen Big Data als wirtschaftlichem Faktor und wissenschaftlichem Forschen und Arbeiten. Die Widmung des Buches lautet: „For library workers everywhere.“ Lamdan, die selbst mehrere Jahre als Fachreferentin für Jura tätig war und inzwischen Professorin an der New York School of Law ist, stellt damit einen deutlichen Bibliotheksbezug her und erklärt auch in der Einleitung, dass sie auf das Thema überhaupt erst durch Ihre Tätigkeit als Bibliothekarin aufmerksam geworden ist. Zu ihren damaligen Aufgaben zählte die Schulung in den juristischen Fachdatenbanken Westlaw von Thomson Reuters und LexisNexis von RELX (ehemals Reed Elsevier). 2017 erreichte die Autorin ein Artikel, der sie auf die Verwicklungen von Thomson Reuters und RELX in die Überwachungstechnik der US-Grenz- und Zollbehörde ICE (United States Immigration and Customs Enforcement) aufmerksam machte. Darüber beunruhigt stellte sie in der Folge Recherchen an, um die Vorwürfe gegenüber den Anbietern der von ihr geschätzten Produkte zu entkräften, stieß aber im Verlauf ihrer Untersuchungen in ein Wespennest ungeahnten Ausmaßes. In ihrem Werk fasst sie die Summe ihrer Nachforschungen der letzten Jahre zusammen, um zu zeigen, wie groß der Einfluss dieser beiden Unternehmen auf den Informationsmarkt und auf Informationssuchende geworden ist.Die ersten beiden Kapitel erläutern am Beispiel von RELX und Thomson Reuters das Geschäftsmodell und die Geschäftspraktik der „data analytics companies“, die sich über ihr traditionelles Publikations- und Fachinformationsgeschäft in der Vergangenheit eine Datenbasis aufgebaut haben, die sie in Zeiten von Big Data, AI und Tracking zu enormen Datensilos erweitern, sowohl durch das automatisierte Sammeln frei verfügbarer Informationen als auch über Zukäufe anderer Anbieter auf dem Informationsmarkt. Der Verkauf der Daten und Publikationen aus essentiellen Bereichen des öffentlichen Lebens (Wissenschaft, Wirtschaft, Rechtsprechung, Nachrichten), die abseits der Angebote der Anbieter nicht oder nur schwer zugänglich sind, ist aber nicht der entscheidende Aktivposten. Die auf dem Weg der Datenanalyse gewonnenen Erkenntnisse und Informationen stellen den entscheidenden wirtschaftlichen Faktor dar. Als Beispiel aus dem Wissenschaftsbereich nennt die Autorin auf Algorithmen gestützte Vorhersagen über die Erfolgsaussichten von Forschungsprojekten, die Geldgebern bei der Entscheidung über Mittelzuteilung unterstützen sollen. Aus der Rechtsprechung führt sie ein Produkt von LexisNexis an, das sich an Anwälte richtet und anhand eines Textkorpus aus Rechtsurteilen den eigenen Argumenten zugeneigte Richter ausfindig macht. In ihren Ausführungen argumentiert Lamdan weiter, dass die Konzerne zunehmend zu „Datenkartellen“ mutieren, je größer und exklusiver die Datensammlung und je besser und unverzichtbarer die Datenanalysen werden.Nach der Einführung in die Problematik der Kartellbildung beschäftigt sich die Autorin in den folgenden Kapiteln mit den daraus resultierenden Konsequenzen für die folgenden Sektoren: „Academic Research“, „Legal Information“, „Financial Information“. Leserinnen und Lesern aus dem Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken wird das Kapitel zum Wissenschaftssektor am ehesten interessieren, zumal es im Gegensatz zu den beiden anderen, auf die Lage in den USA fokussierten Kapiteln auf die eigene Situation und die damit verbundenen Probleme übertragbar ist.In diesem dritten Kapitel „Academic Research“ beschreibt Lamdan sehr anschaulich, wie Elsevier früh (1971) in den Markt elektronischer Publikationen einstieg und anhand in der Bibliothekswelt bekannter Produkte und Strategien (Impact Factor, Zitationsanalyse, Verkauf von Zeitschriftenpaketen, Einzelverhandlungen mit Verschwiegenheitserklärungen) zu einem Konzern wurde, dessen Dienste den gesamten Forschungsprozess von der Recherche über das Publizieren bis hin zur Evaluation abdecken. Wie problematisch die Machtkonzentration eines Oligopols aus wenigen großen Informationskonzernen ist, wird unter anderem durch die Preispolitik demonstriert, die weniger zahlungskräftige Institutionen ohne Zugang abhängt und somit eine Zwei-Klassen-Wissenschaft dies- und jenseits der Bezahlschranke entstehen lässt.Lamdans Buch deckt nicht nur auf und klagt an, sondern skizziert im letzten Kapitel auch Lösungen, um eine weitere Ausbildung der Datenkartelle zu verhindern. Sie fordert schärfere Kartellgesetze, mehr freien Zugang durch Open Access, einen konsequenteren Datenschutz, den Aufbau von Publikationsinfrastrukturen durch die öffentliche Hand sowie eine stärkere Regulierung des Informationsmarktes.Nicht nur die „library workers“ aus der Widmung finden in dem Buch eine anregende und fasslich geschriebene Lektüre vor, die in die Problematik der Machtkonzentration der Datenkonzerne einführt und die Rechercheergebnisse der Autorin dokumentiert, die in einem umfangreichen Fußnotenapparat dokumentiert sind. Im Zusammenhang damit soll auch das gut aufbereitete Register nicht unerwähnt bleiben. Diejenigen, die mit der Diskussion über die kritischen Entwicklungen der großen Akteure im akademischen Publikationswesen bereits vertraut sind, werden allerdings nicht viel Neues erfahren. Die Taschenbuch-Ausgabe des Buchs ist zwar erschwinglich, aber es wäre angesichts des engagierten Plädoyers für einen offeneren Zugang zu Informationen dennoch konsequenter gewesen, wenn das Buch als Open-Access-Publikation erschienen wäre.
ABI-Technik – de Gruyter
Published: May 1, 2023
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