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Buchbesprechungen

Buchbesprechungen DZWir1993,Heft2 Hommelhoff/Stimpel/Ulmer (Hrsg.), Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern, Analyse der Rechtsprechung -- Folgerungen für die Praxis/Heidelberger Konzernrechtstage. Schmidt, Köln. 1992. 278 S., kart. DM 78,-. Das Video-Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 23.9. 1991 (BGHZ 115, 187 = DWiR 1992, 71) hat eine breite, überwiegend kritische Resonanz, gelegentlich als Erdbeben bezeichnet, wie kaum jemals zuvor eine gesellschaftsrechtliche Entscheidung ausgelöst. So verzeichnet die JURIS-Datei inzwischen allein 25 Fundstellen und 25 Urteilsanmerkungen sowie weitere 13 Zeitschriftenbeiträge, die sich im wesentlichen mit dieser Entscheidung beschäftigen. Eine der herausragenden Reaktionen waren die bereits knapp neun Monate nach der Urteilsverkündung von den Heidelberger Gesellschaftsrechtlern Peter Hommelhoff und Peter Ulmer zusammen mit dem früheren Vorsitzenden des II. Zivilsenats Walter Stimpel veranstalteten ,,Heidelberger Konzernrechtstage" -- keineswegs eine eilig einberufene Krisensitzung, sondern eine vorzüglich vorbereitete Analyse und differenzierte Bewertung, die in einzelnen Beiträgen um so kritischer ausfiel, je näher die Referenten der Praxis stehen und je weniger sie an der wissenschaftlichen Grundlegung der Konzernrechtsprechung beteiligt gewesen sind. Dankenswerterweise haben die Veranstalter noch im vergangenen Jahr die Referate einschließlich instruktiver Berichte über den Diskussionsverlauf in einem Sammelband veröffentlicht. Bei den meisten Einzelthemen stehen sich jeweils ein Referat eines ,,Theoretikers" (die gesellschaftsrechtlichen Ordinarien Westermann, Ulmer, Karsten Schmidt, Joost, Lutter und Hommelhoff) und dasjenige eines ,,Praktikers" (die Rechtsanwälte bzw. Notare Gerd Krieger, Hoffmann-Becking, Sigle, Brandner und Priester) gegenüber, wobei Stimpel zwischen Theorie und Praxis steht und sich in seinem Referat auf die Wiedergabe der Rechtsprechung aus seiner Sicht beschränkt. An erster Stelle sind die Beiträge von Westermann (S. 21 ff) und Krieger (S. 41 ff) zum Tatbestand des ,,qualifiziert faktischen Konzerns" und von Ulmer (S. 65 ff) und Hoffmann-Becking (S. 89 ff) zu den Qualifizierungsvermutungen und zum Gegenbeweis bzw. Haftungsausschluß sowie von Lutter (S. 183 ff) und Brandner (S. 207 ff) zur natürlichen Person als Einmann-Konzernspitze zu nennen. Hier handelt es sich um die eigentlich interessierenden Haftungsvoraussetzungen, unter denen sich die Gläubiger einer Vielzahl von kleinen und mittleren überschuldeten GmbHs nicht mit dem Verlust ihrer Forderungen abfinden müssen, sondern über den Verlustausgleich oder die Ausfallhaftung eines geschäftsführenden Gesellschafters im ,,qualifiziert faktischen Konzern" Befriedigung erlangen können -- unter Umständen unter Heranziehung des Privatvermögens, dessen Mithaftung sich sonst nur kreditgebende Banken sichern können. In der ,,Einmann-Konzernspitze", einem Sachverhalt, der im Bereich mittelständischer Unternehmen wohl eher die Regel als die Ausnahme darstellen dürfte, erreicht die Lehre von der Haftung im ,,qualifiziert faktischen Konzern" und ihr Widerspruch zu S 13 Abs. 2 GmbHG dann ihren Höhepunkt, falls allein schon die ,,dauernde und umfassende Leitung" der Geschäfte durch den geschäftsführenden Gesellschafter einen Zugriff auf das nicht der Gesellschaft zugeordnete Vermögen ermöglicht. Die Ausführungen von Karsten Schmidt und Joost zum Verlustausgleich bzw. zur Ausfallhaftung zeigen, daß die Durchführung dieser Haftungsfragen dann keine durchgreifenden Schwierigkeiten mehr bereitet, wenn die Grundfrage der Haftungsvoraussetzungen erst einmal im Sinne der neueren Rechtsprechung -- so wie sie allgemein ausgelegt wird -- positiv beantwortet sind. Etwas anderes gilt nur, wenn man die Haftungsvoraussetzungen voreilig bejaht, um dann anschließend über einen Entlastungsbeweis eine Reduzierung der Haftung zuzulassen -- eine, wie Karsten Schmidt (S. 120 f, 130) meint, Korrektur eines Fehlers durch einen zweiten zur Vermeidung zivilrechtlicher Justizirrtümer oder der ,,Aufstand der List gegen die Unvernunft" (S. 121). Das gilt auch in vergleichbarer Weise für die Ratschläge von Priester (S. 223 ff) und Hommelhoff (S. 245 ff) zur Vermeidung der Qualifizierung einer Konzernleitung oder ihrer Folgen durch kautelarjuristische Vorkehrungen. Einerseits kann man sich dadurch der Haftung auf der Grundlage in der Vergangenheit verwirklichter Konzerntatbestände nicht entziehen; andererseits würde eine Rechtsprechung, hielte sie im Grunde an der vorschnellen Verknüpfung zwischen Unternehmensfuhrung und Haftung mit sonstigem unternehmerischen oder privaten Vermögen fest, zu einer neuerlichen haftungserweiternden Reaktion geradezu herausgefordert, wenn durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen die zu weitgehend empfundene Haftung vermieden werden soll, ohne daß damit die sachlichen Gründe für die Haftung wirklich entfallen (vgl. zur Diskussion S. 267). Dabei sind die zum Teil bereits sehr detaillierten Vorschläge von Hommelhoff (insbesondere S. 255 ff) nach dessen eigener Einschätzung (S. 265) eine Lösung wohl nur für große professionell organisierte Konzerne, nicht für die Realstruktur von Kleinkonzernen und die mit ihnen möglicherweise durchaus verbundenen typischen Gefährdungslagen. Der Wert des Bandes besteht insbesondere darin, daß der gegenwärtige Stand der Auseinandersetzung zum ,,qualifiziert faktischen Konzern", also die Rechtsprechung bis zu dem ergänzenden Stromlieferungsurteil (ZIP 1992, 29) unter Einschluß der umfangreichen und überwiegend kritischen Reaktionen, in einzelnen systematischen Beiträgen umfassend wiedergegeben ist. Dazu tragen die beigefügten Berichte über die Diskussion wesentlich bei, obwohl sie manches bei den ,,Heidelberger Konzernrechtstagen" geführte Streitgespräch nur sehr unterkühlt wiedergeben. Die fehlende Diskussion der Beiträge von Karsten Schmidt und Joost ersetzt insoweit Sigle mit seinem Beitrag ,,Als Praktiker im GmbH-Konzernrechts-Gebäude" (S. 167 ff), der mit einem Appell an den Gesetzgeber, für klare und erträgliche Haftungsregeln im ,,qualifiziert faktischen Konzern" zu sorgen, schließt. Dem Ruf nach dem Gesetzgeber hat sich Ulmer (S. 69 f) ausdrücklich nicht angeschlossen, obwohl er eine (fast) gesetzesgeeignete Norm formuliert und seinen Ausführungen zugrunde gelegt hat. Da sich einerseits auch in der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des Juristentages in Hannover eine klare Mehrheit gegen eine schnelle gesetzliche Regelung ausgesprochen hat, andererseits mehrere Gerichte inzwischen den Video-Grundsätzen in einer teilweise vereinfachenden Form folgen, wartet die Fachöffentlichkeit und mit ihr die möglicherweise betroffenen Unternehmen neuerdings auf die Reaktion des II. Zivilsenats, über die vielleicht schon bald Klarheit besteht. Prof. Dr. Ernst Niederleithinger, Bonn http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht de Gruyter

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Publisher
de Gruyter
Copyright
Copyright © 2009 Walter de Gruyter
ISSN
1439-1589
eISSN
1612-7056
DOI
10.1515/dwir.1993.3.2.88
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Abstract

DZWir1993,Heft2 Hommelhoff/Stimpel/Ulmer (Hrsg.), Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern, Analyse der Rechtsprechung -- Folgerungen für die Praxis/Heidelberger Konzernrechtstage. Schmidt, Köln. 1992. 278 S., kart. DM 78,-. Das Video-Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 23.9. 1991 (BGHZ 115, 187 = DWiR 1992, 71) hat eine breite, überwiegend kritische Resonanz, gelegentlich als Erdbeben bezeichnet, wie kaum jemals zuvor eine gesellschaftsrechtliche Entscheidung ausgelöst. So verzeichnet die JURIS-Datei inzwischen allein 25 Fundstellen und 25 Urteilsanmerkungen sowie weitere 13 Zeitschriftenbeiträge, die sich im wesentlichen mit dieser Entscheidung beschäftigen. Eine der herausragenden Reaktionen waren die bereits knapp neun Monate nach der Urteilsverkündung von den Heidelberger Gesellschaftsrechtlern Peter Hommelhoff und Peter Ulmer zusammen mit dem früheren Vorsitzenden des II. Zivilsenats Walter Stimpel veranstalteten ,,Heidelberger Konzernrechtstage" -- keineswegs eine eilig einberufene Krisensitzung, sondern eine vorzüglich vorbereitete Analyse und differenzierte Bewertung, die in einzelnen Beiträgen um so kritischer ausfiel, je näher die Referenten der Praxis stehen und je weniger sie an der wissenschaftlichen Grundlegung der Konzernrechtsprechung beteiligt gewesen sind. Dankenswerterweise haben die Veranstalter noch im vergangenen Jahr die Referate einschließlich instruktiver Berichte über den Diskussionsverlauf in einem Sammelband veröffentlicht. Bei den meisten Einzelthemen stehen sich jeweils ein Referat eines ,,Theoretikers" (die gesellschaftsrechtlichen Ordinarien Westermann, Ulmer, Karsten Schmidt, Joost, Lutter und Hommelhoff) und dasjenige eines ,,Praktikers" (die Rechtsanwälte bzw. Notare Gerd Krieger, Hoffmann-Becking, Sigle, Brandner und Priester) gegenüber, wobei Stimpel zwischen Theorie und Praxis steht und sich in seinem Referat auf die Wiedergabe der Rechtsprechung aus seiner Sicht beschränkt. An erster Stelle sind die Beiträge von Westermann (S. 21 ff) und Krieger (S. 41 ff) zum Tatbestand des ,,qualifiziert faktischen Konzerns" und von Ulmer (S. 65 ff) und Hoffmann-Becking (S. 89 ff) zu den Qualifizierungsvermutungen und zum Gegenbeweis bzw. Haftungsausschluß sowie von Lutter (S. 183 ff) und Brandner (S. 207 ff) zur natürlichen Person als Einmann-Konzernspitze zu nennen. Hier handelt es sich um die eigentlich interessierenden Haftungsvoraussetzungen, unter denen sich die Gläubiger einer Vielzahl von kleinen und mittleren überschuldeten GmbHs nicht mit dem Verlust ihrer Forderungen abfinden müssen, sondern über den Verlustausgleich oder die Ausfallhaftung eines geschäftsführenden Gesellschafters im ,,qualifiziert faktischen Konzern" Befriedigung erlangen können -- unter Umständen unter Heranziehung des Privatvermögens, dessen Mithaftung sich sonst nur kreditgebende Banken sichern können. In der ,,Einmann-Konzernspitze", einem Sachverhalt, der im Bereich mittelständischer Unternehmen wohl eher die Regel als die Ausnahme darstellen dürfte, erreicht die Lehre von der Haftung im ,,qualifiziert faktischen Konzern" und ihr Widerspruch zu S 13 Abs. 2 GmbHG dann ihren Höhepunkt, falls allein schon die ,,dauernde und umfassende Leitung" der Geschäfte durch den geschäftsführenden Gesellschafter einen Zugriff auf das nicht der Gesellschaft zugeordnete Vermögen ermöglicht. Die Ausführungen von Karsten Schmidt und Joost zum Verlustausgleich bzw. zur Ausfallhaftung zeigen, daß die Durchführung dieser Haftungsfragen dann keine durchgreifenden Schwierigkeiten mehr bereitet, wenn die Grundfrage der Haftungsvoraussetzungen erst einmal im Sinne der neueren Rechtsprechung -- so wie sie allgemein ausgelegt wird -- positiv beantwortet sind. Etwas anderes gilt nur, wenn man die Haftungsvoraussetzungen voreilig bejaht, um dann anschließend über einen Entlastungsbeweis eine Reduzierung der Haftung zuzulassen -- eine, wie Karsten Schmidt (S. 120 f, 130) meint, Korrektur eines Fehlers durch einen zweiten zur Vermeidung zivilrechtlicher Justizirrtümer oder der ,,Aufstand der List gegen die Unvernunft" (S. 121). Das gilt auch in vergleichbarer Weise für die Ratschläge von Priester (S. 223 ff) und Hommelhoff (S. 245 ff) zur Vermeidung der Qualifizierung einer Konzernleitung oder ihrer Folgen durch kautelarjuristische Vorkehrungen. Einerseits kann man sich dadurch der Haftung auf der Grundlage in der Vergangenheit verwirklichter Konzerntatbestände nicht entziehen; andererseits würde eine Rechtsprechung, hielte sie im Grunde an der vorschnellen Verknüpfung zwischen Unternehmensfuhrung und Haftung mit sonstigem unternehmerischen oder privaten Vermögen fest, zu einer neuerlichen haftungserweiternden Reaktion geradezu herausgefordert, wenn durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen die zu weitgehend empfundene Haftung vermieden werden soll, ohne daß damit die sachlichen Gründe für die Haftung wirklich entfallen (vgl. zur Diskussion S. 267). Dabei sind die zum Teil bereits sehr detaillierten Vorschläge von Hommelhoff (insbesondere S. 255 ff) nach dessen eigener Einschätzung (S. 265) eine Lösung wohl nur für große professionell organisierte Konzerne, nicht für die Realstruktur von Kleinkonzernen und die mit ihnen möglicherweise durchaus verbundenen typischen Gefährdungslagen. Der Wert des Bandes besteht insbesondere darin, daß der gegenwärtige Stand der Auseinandersetzung zum ,,qualifiziert faktischen Konzern", also die Rechtsprechung bis zu dem ergänzenden Stromlieferungsurteil (ZIP 1992, 29) unter Einschluß der umfangreichen und überwiegend kritischen Reaktionen, in einzelnen systematischen Beiträgen umfassend wiedergegeben ist. Dazu tragen die beigefügten Berichte über die Diskussion wesentlich bei, obwohl sie manches bei den ,,Heidelberger Konzernrechtstagen" geführte Streitgespräch nur sehr unterkühlt wiedergeben. Die fehlende Diskussion der Beiträge von Karsten Schmidt und Joost ersetzt insoweit Sigle mit seinem Beitrag ,,Als Praktiker im GmbH-Konzernrechts-Gebäude" (S. 167 ff), der mit einem Appell an den Gesetzgeber, für klare und erträgliche Haftungsregeln im ,,qualifiziert faktischen Konzern" zu sorgen, schließt. Dem Ruf nach dem Gesetzgeber hat sich Ulmer (S. 69 f) ausdrücklich nicht angeschlossen, obwohl er eine (fast) gesetzesgeeignete Norm formuliert und seinen Ausführungen zugrunde gelegt hat. Da sich einerseits auch in der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des Juristentages in Hannover eine klare Mehrheit gegen eine schnelle gesetzliche Regelung ausgesprochen hat, andererseits mehrere Gerichte inzwischen den Video-Grundsätzen in einer teilweise vereinfachenden Form folgen, wartet die Fachöffentlichkeit und mit ihr die möglicherweise betroffenen Unternehmen neuerdings auf die Reaktion des II. Zivilsenats, über die vielleicht schon bald Klarheit besteht. Prof. Dr. Ernst Niederleithinger, Bonn

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Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrechtde Gruyter

Published: Jan 1, 1993

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