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ÖR Gleichwertigkeit von juristischen Ausbildungen in EU-Mitgliedstaaten

ÖR Gleichwertigkeit von juristischen Ausbildungen in EU-Mitgliedstaaten JURA Heft 9/10 Zit.: Ehlers, JK 9/10, AEUV Art. 45/2 ÖR Gleichwertigkeit von juristischen Ausbildungen in EU-Mitgliedstaaten AEUV Art. 45 Art. 49 © Copyright 2010 by De Gruyter Recht, Berlin Leitsätze (gekürzt): 1. Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Ausbildungen, die auf einen Antrag hin erfolgt, unmittelbar in den Vorbereitungsdienst für die juristischen Berufe aufgenommen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, die Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, die in dem Mitgliedstaat verlangt werden, in dem der Bewerber die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst beantragt. 2. Art. 45 AEUV gebietet nicht, dass die Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem praktischen Ausbildungsabschnitt (Referendariat), der Voraussetzung für die spätere Ausübung eines reglementierten juristischen Berufs ist, im Rahmen der nach dem Unionsrecht verlangten Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers stellen als an die Kenntnisse, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Zulassung verlangt werden. Jedoch steht Art. 45 AEUV einer Lockerung der Anforderungen nicht entgegen, zudem darf die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung von nachgewiesenen Kenntnissen in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleiben. – EuGH – Urt. v. 10. 12. 2009 – C-345/08 = NJW 2010, 137. Sachverhalt: Gegenstand des Verfahrens ist ein Vorabentscheidungsersuchen des VG Schwerin an den EuGH, das die Auslegung von Art. 45 AEUV (früher 39 EGV) betrifft. Es ist im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem polnischen Staatsangehörigen P und dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern wegen dessen Weigerung, P ohne Eignungsprüfung in den Pflichtfächern der Ersten Juristischen Staatsprüfung als Rechtsreferendar zuzulassen, ergangen. P hat ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Poznán (Polen) mit dem Magister abgeschlossen und an der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt (Oder) den »Master of German and Polish Law« erworben. Nach Ablehnung seines Antrags auf Zulassung zum Referendariat in Mecklenburg-Vorpommern wegen Fehlen der Gleichwertigkeit der Ausbildung und Fehlen der Beantragung einer Eignungsprüfung nach § 112 a II 2 DRiG hat P verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Das VG hat sich gem Art. 267 AEUV (früher 234 EGV) mit drei zulässigen Vorlagefragen an den EuGH gewandt (vgl zur Zulässigkeit allg Wernsmann, in: Ehlers/ Schoch, Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 2009, § 11). Probleme: I. Die ersten beiden Ersuche betreffen die Frage, welche Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, um zu beurteilen, ob derjenige, der beantragt, unmittelbar zum Referendariat zugelassen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, über einen Kenntnisstand verfügt, der demjenigen entspricht, der in dem betreffenden Mitgliedstaat normalerweise für die Zulassung verlangt wird. Zum einen geht es darum, ob sich diese Kenntnisse auf das Recht des Aufnahmemitgliedstaats beziehen müssen, zum anderen soll geklärt werden, ob Kenntnisse im Recht eines anderen Mitgliedstaats vom Niveau und dem (zeitlichen) Aufwand der Ausbildung her mit den Kenntnissen als gleichwertig angesehen werden können. Die Anwendbarkeit der Grundfreiheit des AEUV setzt voraus, dass das Sekundärrecht keine abschließende Regelung trifft (vgl Ehlers, in: Ehlers (Hrsg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7 Rdn. 8, 62). Dies trifft indessen nicht zu. Die RL 98/5/EG zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, betrifft nämlich nur den voll qualifizierten Rechtsanwalt (vgl EuGH, Slg. 2003, I-13467, Rdn. 45 – Morgenbesser). Die Tätigkeit des Rechtsreferendars ist dagegen als praktischer Teil der für den Zugang zu den juristischen Berufen erforderlichen Ausbildung vorgesehen. Daraus folgt zugleich, dass diese Tätigkeit auch nicht als »reglementierter Beruf« iSd RL 89/48/EWG idFd RL 2001/19/EG eingestuft werden kann (vgl bereits EuGH, a. a. O. – Morgenbesser, Rdn. 46 ff.). Auf den Sachverhalt können sowohl Art. 45 als auch Art. 49 AEUV Anwendung finden. Rechtsreferendare üben eine echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis aus und sind daher als Arbeitnehmer iSv Art. 45 AEUV anzusehen (idS EuGH, Slg. 2005, I-2421, Rdn. 12 ff. – Kranemann). Zudem ist der juristische Vorbereitungsdienst in Deutschland eine notwendige Voraussetzung für den Zugang unter anderem zum Beruf des Rechtsanwalts, für den Art. 49 AEUV gilt (EuGH, a. a. O. – Morgenbesser, Rdn. 60). Die Art. 45 IV (Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung) und 51 I AEUV (Ausnahmen bei Ausübung öffentlicher Gewalt) finden keine Anwendung. Zum einen werden die Referendare bei den Gerichten, einer Verwaltungsbehörde oder der Staatsanwaltschaft nach Weisungen unter der Aufsicht eines Ausbilders tätig. Art. 45 AEUV erfasst aber gerade nicht Stellen, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung ieS gehören. Zum anderen muss sich die in Art. 51 I AEUV vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen. Das Unionsrecht setzt den Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse insoweit Grenzen, als die hierzu ergangenen nationalen Rechtsvorschriften keine ungerechtfertigte Behinderung der tatsächlichen Ausübung der Grundfreiheiten darstellen dürfen. Nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, können sich dahin auswirken, dass sie die Ausübung der Grundfreiheiten beeinträchtigen, wenn die fraglichen nationalen Vorschriften die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen. Daher müssen die Behörden eines Mitgliedstaats, wenn sie den Antrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates auf Zulassung zu einem auf die spätere Ausübung eines reglementierten Berufs gerichteten praktischen Ausbildungsabschnitt prüfen, die berufliche Qualifikation des Betroffenen und seine Berufserfahrung mit der nach nationalem Recht verlangten beruflichen Qualifikation vergleichen (EuGH, Slg 1991, I-2357, Rdn. 16 – Vlassopoulou). Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die durch das ausländische Diplom bescheinigt werden sowie die Erfahrung, die in dem Mitgliedstaat gewonnen wurde, in dem der Bewerber seine Eintragung beantragt, sind am Maßstab der beruflichen Qualifikation zu prüfen, die in den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangt wird. Die Tatsache, dass das Jurastudium in einem Mitgliedstaat vom Niveau und Aufwand vergleichbar ist mit einem deutschen Jurastudium, kann für sich genommen nicht zu einer Verpflichtung führen, den durch den Mitgliedstaat (hier: Polen) bescheinigten Kenntnissen, die sich im Wesentlichen auf dessen Recht beziehen, Vorrang gegenüber den Kenntnissen einzuräumen, die in den nationalen Bestimmungen des Aufnahmestaates (hier: Deutschland) Voraussetzung für den Zugang zu den juristischen Berufen ist. Ansonsten könnte ein Bewerber ohne jede Kenntnis des deutschen Rechts und der deutschen Sprache in den Vorbereitungsdienst eintreten. Daher hat der EuGH iSd Leitsatzes 1 entschieden. II. Die dritte Frage zielt darauf ab, ob die Anforderungen an die juristischen Kenntnisse im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung leicht zu senken sind, um Art. 45 AEUV praktische Wirksamkeit zu verleihen. Zwar muss der Aufnahmemitgliedstaat Kenntnisse, die nur teilweise denjenigen entsprechen, die durch die fachliche Qualifikation bescheinigt werden, die nach seinen nationalen Rechtsvorschriften vorausgesetzt werden, (ernsthaft) berücksichtigen, was bereits zur Erleichterung der insbesondere in Art. 45 AEUV verankerten Freizügigkeit beiträgt und eine praktische Nichtanerkennung der bereits erworbenen Qualifikationen ausschließt. Hinsichtlich der fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten gebietet Art. 45 AEUV jedoch nicht, niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers als an diejenigen zu stellen, die in dem Aufnahmestaat für den Zugang zu dem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt werden. Gleichzeitig steht Art. 45 AEUV einer Lockerung der Anforderungen nicht entgegen. D. Ehlers © Copyright 2010 by De Gruyter Recht, Berlin http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png JURA - Juristische Ausbildung de Gruyter

ÖR Gleichwertigkeit von juristischen Ausbildungen in EU-Mitgliedstaaten

JURA - Juristische Ausbildung , Volume 32 (9) – Sep 1, 2010

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Publisher
de Gruyter
Copyright
Copyright © 2010 by the
ISSN
0170-1452
eISSN
1612-7021
DOI
10.1515/jura.2010.k12
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Abstract

JURA Heft 9/10 Zit.: Ehlers, JK 9/10, AEUV Art. 45/2 ÖR Gleichwertigkeit von juristischen Ausbildungen in EU-Mitgliedstaaten AEUV Art. 45 Art. 49 © Copyright 2010 by De Gruyter Recht, Berlin Leitsätze (gekürzt): 1. Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Ausbildungen, die auf einen Antrag hin erfolgt, unmittelbar in den Vorbereitungsdienst für die juristischen Berufe aufgenommen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, die Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, die in dem Mitgliedstaat verlangt werden, in dem der Bewerber die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst beantragt. 2. Art. 45 AEUV gebietet nicht, dass die Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem praktischen Ausbildungsabschnitt (Referendariat), der Voraussetzung für die spätere Ausübung eines reglementierten juristischen Berufs ist, im Rahmen der nach dem Unionsrecht verlangten Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers stellen als an die Kenntnisse, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Zulassung verlangt werden. Jedoch steht Art. 45 AEUV einer Lockerung der Anforderungen nicht entgegen, zudem darf die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung von nachgewiesenen Kenntnissen in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleiben. – EuGH – Urt. v. 10. 12. 2009 – C-345/08 = NJW 2010, 137. Sachverhalt: Gegenstand des Verfahrens ist ein Vorabentscheidungsersuchen des VG Schwerin an den EuGH, das die Auslegung von Art. 45 AEUV (früher 39 EGV) betrifft. Es ist im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem polnischen Staatsangehörigen P und dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern wegen dessen Weigerung, P ohne Eignungsprüfung in den Pflichtfächern der Ersten Juristischen Staatsprüfung als Rechtsreferendar zuzulassen, ergangen. P hat ein Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Poznán (Polen) mit dem Magister abgeschlossen und an der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt (Oder) den »Master of German and Polish Law« erworben. Nach Ablehnung seines Antrags auf Zulassung zum Referendariat in Mecklenburg-Vorpommern wegen Fehlen der Gleichwertigkeit der Ausbildung und Fehlen der Beantragung einer Eignungsprüfung nach § 112 a II 2 DRiG hat P verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Das VG hat sich gem Art. 267 AEUV (früher 234 EGV) mit drei zulässigen Vorlagefragen an den EuGH gewandt (vgl zur Zulässigkeit allg Wernsmann, in: Ehlers/ Schoch, Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 2009, § 11). Probleme: I. Die ersten beiden Ersuche betreffen die Frage, welche Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, um zu beurteilen, ob derjenige, der beantragt, unmittelbar zum Referendariat zugelassen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, über einen Kenntnisstand verfügt, der demjenigen entspricht, der in dem betreffenden Mitgliedstaat normalerweise für die Zulassung verlangt wird. Zum einen geht es darum, ob sich diese Kenntnisse auf das Recht des Aufnahmemitgliedstaats beziehen müssen, zum anderen soll geklärt werden, ob Kenntnisse im Recht eines anderen Mitgliedstaats vom Niveau und dem (zeitlichen) Aufwand der Ausbildung her mit den Kenntnissen als gleichwertig angesehen werden können. Die Anwendbarkeit der Grundfreiheit des AEUV setzt voraus, dass das Sekundärrecht keine abschließende Regelung trifft (vgl Ehlers, in: Ehlers (Hrsg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7 Rdn. 8, 62). Dies trifft indessen nicht zu. Die RL 98/5/EG zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, betrifft nämlich nur den voll qualifizierten Rechtsanwalt (vgl EuGH, Slg. 2003, I-13467, Rdn. 45 – Morgenbesser). Die Tätigkeit des Rechtsreferendars ist dagegen als praktischer Teil der für den Zugang zu den juristischen Berufen erforderlichen Ausbildung vorgesehen. Daraus folgt zugleich, dass diese Tätigkeit auch nicht als »reglementierter Beruf« iSd RL 89/48/EWG idFd RL 2001/19/EG eingestuft werden kann (vgl bereits EuGH, a. a. O. – Morgenbesser, Rdn. 46 ff.). Auf den Sachverhalt können sowohl Art. 45 als auch Art. 49 AEUV Anwendung finden. Rechtsreferendare üben eine echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis aus und sind daher als Arbeitnehmer iSv Art. 45 AEUV anzusehen (idS EuGH, Slg. 2005, I-2421, Rdn. 12 ff. – Kranemann). Zudem ist der juristische Vorbereitungsdienst in Deutschland eine notwendige Voraussetzung für den Zugang unter anderem zum Beruf des Rechtsanwalts, für den Art. 49 AEUV gilt (EuGH, a. a. O. – Morgenbesser, Rdn. 60). Die Art. 45 IV (Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung) und 51 I AEUV (Ausnahmen bei Ausübung öffentlicher Gewalt) finden keine Anwendung. Zum einen werden die Referendare bei den Gerichten, einer Verwaltungsbehörde oder der Staatsanwaltschaft nach Weisungen unter der Aufsicht eines Ausbilders tätig. Art. 45 AEUV erfasst aber gerade nicht Stellen, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung ieS gehören. Zum anderen muss sich die in Art. 51 I AEUV vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen. Das Unionsrecht setzt den Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse insoweit Grenzen, als die hierzu ergangenen nationalen Rechtsvorschriften keine ungerechtfertigte Behinderung der tatsächlichen Ausübung der Grundfreiheiten darstellen dürfen. Nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, können sich dahin auswirken, dass sie die Ausübung der Grundfreiheiten beeinträchtigen, wenn die fraglichen nationalen Vorschriften die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen. Daher müssen die Behörden eines Mitgliedstaats, wenn sie den Antrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates auf Zulassung zu einem auf die spätere Ausübung eines reglementierten Berufs gerichteten praktischen Ausbildungsabschnitt prüfen, die berufliche Qualifikation des Betroffenen und seine Berufserfahrung mit der nach nationalem Recht verlangten beruflichen Qualifikation vergleichen (EuGH, Slg 1991, I-2357, Rdn. 16 – Vlassopoulou). Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die durch das ausländische Diplom bescheinigt werden sowie die Erfahrung, die in dem Mitgliedstaat gewonnen wurde, in dem der Bewerber seine Eintragung beantragt, sind am Maßstab der beruflichen Qualifikation zu prüfen, die in den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangt wird. Die Tatsache, dass das Jurastudium in einem Mitgliedstaat vom Niveau und Aufwand vergleichbar ist mit einem deutschen Jurastudium, kann für sich genommen nicht zu einer Verpflichtung führen, den durch den Mitgliedstaat (hier: Polen) bescheinigten Kenntnissen, die sich im Wesentlichen auf dessen Recht beziehen, Vorrang gegenüber den Kenntnissen einzuräumen, die in den nationalen Bestimmungen des Aufnahmestaates (hier: Deutschland) Voraussetzung für den Zugang zu den juristischen Berufen ist. Ansonsten könnte ein Bewerber ohne jede Kenntnis des deutschen Rechts und der deutschen Sprache in den Vorbereitungsdienst eintreten. Daher hat der EuGH iSd Leitsatzes 1 entschieden. II. Die dritte Frage zielt darauf ab, ob die Anforderungen an die juristischen Kenntnisse im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung leicht zu senken sind, um Art. 45 AEUV praktische Wirksamkeit zu verleihen. Zwar muss der Aufnahmemitgliedstaat Kenntnisse, die nur teilweise denjenigen entsprechen, die durch die fachliche Qualifikation bescheinigt werden, die nach seinen nationalen Rechtsvorschriften vorausgesetzt werden, (ernsthaft) berücksichtigen, was bereits zur Erleichterung der insbesondere in Art. 45 AEUV verankerten Freizügigkeit beiträgt und eine praktische Nichtanerkennung der bereits erworbenen Qualifikationen ausschließt. Hinsichtlich der fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten gebietet Art. 45 AEUV jedoch nicht, niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers als an diejenigen zu stellen, die in dem Aufnahmestaat für den Zugang zu dem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt werden. Gleichzeitig steht Art. 45 AEUV einer Lockerung der Anforderungen nicht entgegen. D. Ehlers © Copyright 2010 by De Gruyter Recht, Berlin

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JURA - Juristische Ausbildungde Gruyter

Published: Sep 1, 2010

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